EU-Taxonomie: Jetzt ist auch die Verpackung an der Reihe

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Mit der Taxonomie definiert die EU, welche Wirtschaftstätigkeiten als ökologisch nachhaltig angesehen werden. Bislang war sie für viele Verpackungsunternehmen eine Regulierung, die zwar in der Öffentlichkeit heftig diskutiert wurde, für das tägliche Geschäft aber keine Auswirkungen hatte. Das könnte sich nun ändern. Darauf deutet der neue Entwurf der Taxonomie-Kriterien für Verpackungen hin. Er macht klar, dass sich auch unsere Branche intensiver mit dem Thema beschäftigen muss – denn die geplanten Kriterien haben es in sich. Wir führen Sie kompakt in das Thema Taxonomie ein, beleuchten, was auf die Verpackung zukommen soll und schätzen die Wahrscheinlichkeit der Umsetzung ein.

 

Die EU-Taxonomie ist eine im EU-Aktionsplan “Sustainable Finance” festgelegte Maßnahme, die in der Verordnung 2020/852 (Taxonomie-VO) kodifiziert wurde. Mit dem Aktionsplan sollen Kapitalflüsse in ökologisch nachhaltige Aktivitäten gelenkt werden. Der Entwurf der Taxonomie-Kriterien für Verpackungen wurde am 30. März 2022 veröffentlicht.

 

Der Hintergrund: Green Deal

Mit dem „Green Deal“ stellte die Europäische Union 2019 die Weichen für mehr Nachhaltigkeit bei Investitionen. Zu den vordringlichen Bereichen zählten beispielsweise erneuerbare Energien, Biodiversität und – als „Priorität Nummer 1“ – Kreislaufwirtschaft.

Als Ziel wurde ausgegeben, bis 2050 in der EU klimaneutral zu wirtschaften. Bereits bis 2030 soll eine Reduktion der Klimagase von 55 Prozent erzielt werden.

Um Wettbewerbsgleichheit und Rechtssicherheit für alle innerhalb der EU tätigen Unternehmen zu gewährleisten, wurden die EU Taxonomie Regulation und die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) implementiert.

Beide Gesetze folgen der Zielsetzung des Green Deals und bauen auf folgende Eckpunkte:

  1. Neuausrichtung von Kapitalströmen mit Fokus auf nachhaltige Investitionen
  2. Etablierung von Nachhaltigkeit als Bestandteil des Risikomanagements
  3. Förderung und Ermutigung zu langfristigen Investitionen und Wirtschaften

 

Die EU-Taxonomie im Detail

Die EU-Taxonomie Verordnung beschreibt einen Rahmen um “grüne” oder “nachhaltige” Wirtschaftstätigkeiten innerhalb der EU allgemeingültig zu klassifizieren. Zuvor bestand keine klare Definition von grüner, nachhaltiger oder umweltfreundlicher Tätigkeit.

Durch die EU Taxonomie werden für den Begriff der Nachhaltigkeit nun klare Regeln und Rahmenbedingungen geschaffen, wann ein Unternehmen nachhaltig oder umweltfreundlich wirtschaftet. Die Gesetzgebung zielt also darauf ab, umweltfreundliches Wirtschaften und Technologien durch einen Investitionsfokus zu belohnen und zu fördern.

Dabei stehen folgende sechs Umweltziele im Fokus:

  1. Klimaschutz
  2. Anpassung an den Klimawandel
  3. Nachhaltiger Einsatz und Gebrauch von Wasser oder Meeresressourcen
  4. Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
  5. Vorbeugung oder Kontrolle von Umweltverschmutzung
  6. Schutz und Wiederherstellung von Biodiversität und Ökosystemen

Als nachhaltig wirtschaftliche Tätigkeit wird das Geschäft eines Unternehmens nur dann eingestuft, wenn es einen Beitrag zu mindestens einem der Umweltziele leistet und gleichzeitig gegen keines der anderen Ziele verstößt. Das heißt zum Beispiel: Eine Tätigkeit, die darauf abzielt, das Klima zu schützen aber gleichzeitig die Biodiversität negativ beeinflusst, kann nicht als nachhaltig eingestuft werden.

 

Vier Kriterien für die Einstufung

Die Einstufung der wirtschaftlichen Tätigkeit bezüglich Nachhaltigkeit orientiert sich an vier Kriterien, die auf die oben genannten Umweltziele aufbauen:

  1. Die wirtschaftliche Tätigkeit leistet einen Beitrag für mindestens eines der Umweltziele
  2. Die wirtschaftliche Tätigkeit schadet keinem der Umweltziele signifikant. Hier gilt also das „Do No Significant Harm principle” (DNSH)
  3. Die wirtschaftliche Tätigkeit erfüllt ein Minimum an Sicherheitsstandards, um einen negativen sozialen Einfluss zu vermeidend. Beispielsweise, indem es den “UN Guiding Principles on Business and Human rights” folgt.
  4. Die wirtschaftliche Tätigkeit erfüllt die technischen Auswahlkriterien (Screening criteria), die von der EU Technical Expert Group entwickelt wurden.

 

Fokus Screening Criteria

Während die ersten drei grundlegenden Punkte im Rahmen der EU-Taxonomie schon weitgehend bekannt waren, standen die „Screening Criteria“ nicht im Vordergrund – obwohl sie den wirksamsten Hebel der Taxonomie ausmachen.

Die Screening Kriterien werden anhand der besten bzw. effizientesten Technologien definiert, die als Lösung zur Verringerung der Treibhausgasemissionen zur Verfügung stehen.

Für Investoren und Finanzinstitute sind diese Kriterien dann entscheidend, wenn sie über ihre Investitionen im Rahmen der EU Taxonomie berichten müssen.

Zur Veranschaulichung ein Beispiel: ​

Wer grauen Zementklinker herstellt, darf laut Taxonomie im Sinne des Klimaschutzes pro Tonne maximal 0,722 Tonnen CO2 oder äquivalente Gase ausstoßen. Der Wert wird anhand der oberen 10 Prozent der effizientesten Anlagen in der EU berechnet. Um gleichzeitig die Gefahren von Wasserverschmutzung zu minimieren, muss das Unternehmen für seine Produktion verpflichtend auch eine EU-Umweltverträglichkeitsprüfung erstellen.

 

Taxonomie-Kriterien für Verpackungen

Vorschläge für neue Screening Kriterien werden durch die Plattform Sustainable Finance entwickelt und der Kommission vorgelegt. Die Plattform, die an die Sustainable Finance Regulierung angeschlossen ist, hat nun Vorschläge für Taxonomie-Kriterien für Verpackungen vorgelegt. Wir fassen die wichtigsten Inhalte für Sie zusammen:

  1. Mindestens 85 Prozent der Verpackung soll aus recyceltem Material bestehen. Im Wortlaut wird vorgeschlagen, dass „mindestens 85 Prozent des Gewichts des Verpackungsprodukts aus mechanisch recyceltem Post-Verbraucher-Material, chemisch recyceltem, biobasiertem oder CCU (Carbon Capture and Utilisation) -basiertem Material bestehen” muss. Dieser Mindestanteil an recyceltem Material soll auch für Lebensmittel- und Getränkeverpackungen gelten, unabhängig vom Material.
  2. Verpackungen sollen eine Wiederverwendung mit mindestens 10 Umläufen und eine Recyclingquote von mindestens 50 Prozent für die verwendeten Materialien ermöglichen.
  3. Primärverpackungen für Lebensmittel und Getränke müssen die folgenden drei Kriterien erfüllen:
    1. Die Verpackung ermöglicht eine Wiederverwendung mit mindestens 10 Umläufen oder Rotationen.
    2. Mindestens 95 Prozent der Verpackung sind wiederverwertbar.
    3. Der Verlust von Lebensmitteln und Getränken wird um mindestens 50 Prozent reduziert. Eine Verpackung darf also nur eingesetzt werden, wenn sie technologisch Sinn macht, indem sie Lebensmittelverluste einschränkt.
  4. Primär-, Sekundär- und Tertiärverpackungen für Lebensmittel und Getränke müssen die folgenden drei Kriterien erfüllen:
    1. Mindestens 85 Prozent des Verpackungsgewichts bestehen aus mechanisch oder chemisch recyceltem Post-Verbraucher-Material oder aus nachwachsenden Rohstoffen. Bezugsgröße ist dabei die Massenbilanz auf Chargenebene.
    2. Mindestens 95 Prozent der Verpackungen sind wiederverwertbar.
    3. Der Verlust von Lebensmitteln wird um mindestens 50 Prozent reduziert.

 

Einordnung und Bewertung

Bei der Prüfung der Vorschläge zur Taxonomie für Verpackungen fällt auf, dass sie weder mit den Zielen des Green Deals noch mit der Überarbeitung der EU-Verpackungs- und Verpackungsabfallrichtlinie (PPWD) übereinstimmen.

Illustriert an einem Beispiel:

Wir gehen davon aus, dass im Rahmen der Überarbeitung der PPWD verbindliche Quoten für den Recyclinganteil von Kunststoffverpackungen ab 2030 vorschlagen werden. Die bislang diskutierten Quoten schwanken zwischen 25 und 45 Prozent, da das Potenzial für die Verwendung von recyceltem Kunststoff je nach Art der Verpackung sehr unterschiedlich ist.

Insbesondere bei Lebensmittelverpackungen verbieten die strengen EU-Vorschriften derzeit noch die Verwendung von anderen Kunststoffen als recyceltem PET. Wahrscheinlich werden diese Regelungen sogar noch verschärft. Das legt zumindest der neue Entwurf der Regulierung Nr. 282/2008 über „Materialien und Gegenstände aus recyceltem Kunststoff, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen“, nahe.

Kritisieren ist immer leichter, als selber machen, aber:

  • Bevor man mit Vorschlägen in die Öffentlichkeit geht, sollte man diese auf Politikkohärenz prüfen.
  • Vorschläge können ja gerne ambitioniert sein, aber eine mögliche realistische Umsetzung sollte schon gegeben sein.
  • Es ist immer sinnvoll, vorher mit Leuten aus der Branche zu reden…

 

Fazit

Wir gehen davon aus, dass es die Vorschläge zu den Taxonomie-Kriterien für Verpackungen nicht in den neuen Delegated Act schaffen werden, der im Herbst 2022 für die weitere Definition der Umweltziele veröffentlicht werden soll.

Trotzdem: Die Vorschläge zeigen, dass die Branche wachsam sein sollte und sich aktiv an der Diskussion um die EU Taxonomie Kriterien beteiligen muss. Sonst gibt es unter Umständen ein böses Erwachen.

 

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