Plastiksteuern in Europa: Wie ist der Stand und was ist zu tun

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Die EU-Kunststoffabgabe wurde 2021 als Teil des befristeten EU-Konjunkturpakets zur Unterstützung der durch die Covid-19-Pandemie geschädigten Mitgliedstaaten eingeführt. Derzeit gibt es sehr unterschiedliche Kombinationen von Gesetzen, Abgaben und Steuern, die von den einzelnen Staaten unterschiedlich angewendet werden. Wir werfen einen grundsätzlichen Blick auf das Thema, schauen im Detail auf Großbritannien, Spanien, Italien und Deutschland, beleuchten die Folgen für Unternehmen der Verpackungsindustrie und sagen Ihnen, welche Fragen Sie abklären sollten.

 

Grundlegendes zur Plastiksteuer

Mit dem Begriff „Plastiksteuer“ ist die EU-Kunststoffabgabe gemeint, die 2021 als Teil des befristeten EU-Konjunkturpakets zur Unterstützung der durch die Covid-19-Pandemie geschädigten Mitgliedstaaten eingeführt wurde.

  • Die Plastiksteuer bringt dem EU-Haushalt 2021-2027 eine neue, zusätzliche Einnahmequelle, die vom WTS Global Report auf rund 7 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt wird.
  • Die nationalen Beiträge werden im Einklang mit der europäischen Strategie proportional zur Menge an Kunststoffverpackungsabfällen festgelegt, die in den einzelnen Mitgliedstaaten in Verkehr gebracht, aber nicht recycelt werden.
  • Für diese Menge wird ein einheitlicher Satz von 0,80 EUR pro Kilogramm nicht verwerteter Kunststoffverpackungsabfälle berechnet.
  • Die Beiträge werden auf der Grundlage von Eurostat-Daten berechnet, die von den Mitgliedstaaten bereits im Rahmen bestehender Meldepflichten erhoben und übermittelt werden.
  • Wie die Mitgliedsstaaten die an die EU abzuführende Steuer in ihrem Land gegenfinanzieren, ist ihnen selbst überlassen.

 

Optionen zur Finanzierung

Gegenwärtig dominieren unter den Mitgliedstaaten zwei Hauptansätze zur Gegenfinanzierung der EU-Kunststoffabgabe.

  • Die Mitgliedstaaten zahlen den Beitrag aus ihrem Staatshaushalt, unabhängig davon, ob sie ein nationales System zur Erhebung der Steuer eingerichtet haben (wie im Falle Schwedens) oder nicht.
  • Die Mitgliedstaaten entwerfen eigene Steuergesetze, die bestimmte Zahler aus definierten Gründen belasten und richten dafür ein nationales System zur Erhebung ein. Dabei definiert jedes Land die besteuerten Produkte, den Mechanismus zur Erhebung der Steuer, eventuelle Erstattungsmöglichkeiten usw. selbst.

 

Wichtiger Unterschied: Plastic Tax und EPR-Gebühren

Es ist wichtig, zwischen Plastic Tax und EPR-Gebühren zu unterscheiden.

  • Eine Gebühr im Rahmen des Extended Producer Responsibility (EPR) Systems ist an die Teilnahme eines entsprechenden EPR-Systems geknüpft und soll die Kosten der Abfallbehandlung im Land tragen. EPR-Gebühren basieren auf der Implementierung der EU Single-Use-Plastic Directive (SUPD).
  • Plastiksteuern sind dagegen reine Einnahmequellen für die europäische Staatskasse oder im Falle von UK in die nationale Staatskasse.

 

Unterschiede beim Umgang mit Kunststoffabfällen in Europa

In den letzten Jahren haben die EU-Mitgliedstaaten begonnen, nicht nur die europäischen Abfallvorschriften, sondern auch eigene nationale Vorschriften und Maßnahmen zur Bewältigung des Problems der Kunststoffabfälle umzusetzen.

Aktuell gibt es verschiedene Kombinationen von Gesetzen, Abgaben und Steuern, die von den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich angewendet werden. Die bestehenden Maßnahmen können in vier Kategorien eingeteilt werden:

  • Steuern auf Kunststoffverpackungen (Plastik Packaging Tax; PPT);
  • Verbote und Kennzeichnungsvorschriften für Einwegkunststoffe (SUP);
  • Gebühren für die erweiterte Herstellerverantwortung (EPR) und Lizenzanforderungen für Abfallentsorgungssysteme;
  • Abgaben für die Beseitigung von Abfällen.

 

Länderspezifische Gesetzgebung

Viele Länder erheben Steuern auf bestimmte Arten von Kunststoffverpackungen. So gibt es beispielsweise in rund 27 Ländern und Gebieten auf vier Kontinenten Steuern auf Plastiktüten.

Für Großbritannien, Spanien, Italien und Deutschland gehen wir für Sie ins Detail. Wir zeigen Ihnen, wie diese Länder PPT-Systeme etabliert haben oder etablieren wollen. Dabei fokussieren wir auf die Kunststoffsteuer und nicht auf EPR-Gebühren, die auf der Implementierung der Single-Use-Plastic Directive (SUPD) basieren.

 

Großbritannien

  • Großbritannien hat als erstes Land eine Plastiksteuer eingeführt, die für Kunststoffverpackungen gilt, die im Land hergestellt oder importiert werden und weniger als 30 % recycelten Kunststoff enthalten.
  • Seit dem 1. April 2024 beträgt die Steuer 217,85 Pfund pro Tonne.
  • Nach Erhebungen der Fachzeitschrift EUWID (Ausgabe 34.2024) sind insgesamt 4.669 Unternehmen registriert. Diese Zahl liegt weit unter der ursprünglich angenommenen Zahl von 20.000 Unternehmen.
  • Bei sinkenden Einnahmen wurde im Zeitraum 2023/2024 ein Umsatz von 268 Millionen Pfund generiert.
  • Interessant sind die sichtbaren Auswirkungen der Steuer. So sind sowohl die Importe als auch die Eigenproduktion zurückgegangen. Die Exporte sind regelrecht eingebrochen.
  • Der Anzahl an Kunststoffverpackungen die durch den Einsatz von mindestens 30 Prozent Rezyklat nicht von der Steuer betroffen sind, stieg um 6 Prozent.

 

Spanien

  • In Spanien wurde eine Steuer auf nicht wiederverwendbare, kunststoffbasierte Verpackungen eingeführt.
  • Nicht wiederverwendbare Verpackungen durchlaufen während ihres Lebenszyklus keine mehrfachen Kreisläufe und können weder nachgefüllt noch wiederverwendet werden.
  • Nach dem spanischen Abfall- und Bodenschutzgesetz, das am 01.01.2023 in Kraft getreten ist, beträgt der Steuersatz 0,45 € pro Kilogramm nicht wiederverwertbarer Kunststoffverpackung.
  • Steuerpflichtige Ereignisse umfassen die Herstellung, den Import und den innergemeinschaftlichen Erwerb in Spanien.
  • Ziel ist es, Einweg-Kunststoffverpackungen bis 2026 um 50 Prozent und bis 2030 um 70 Prozent gegenüber dem Niveau von 2022 zu reduzieren.
  • Im Jahr 2023 wurden durch die Steuer auf Einweg-Kunststoffverpackungen in Spanien insgesamt rund 663 Millionen Euro eingenommen.

 

Italien

  • Die Steuer auf Kunststoffverpackungen, die ursprünglich am 1. Juli 2020 in Kraft treten sollte, wird nach mehreren Aufschüben Stand heute erst am 1. Juli 2026 in Kraft treten, wobei es durchaus zu einem weiteren Aufschub kommen kann.
  • Die Steuer wird voraussichtlich zu einem Satz von 0,45 Euro pro Kilogramm erhoben und gilt für Einwegprodukte aus Kunststoff (manufatti con singolo impiego; MACSI).
  • Die Steuer ist in Artikel 1, Absätze 634 bis 658 des Gesetzes 160/2019 geregelt, aber die zugehörigen Durchführungsmaßnahmen, die die entsprechenden operativen Details festlegen werden, müssen noch umgesetzt werden. Derzeit ist nur ein 2021 in Umlauf gebrachter Entwurf verfügbar.
  • Die Steuer wird auf Produkte angewendet, die für die „Aufbewahrung, den Schutz, die Handhabung oder die Lieferung von Waren oder Lebensmitteln“ bestimmt sind und aus „Kunststoffen, die aus organischen Polymeren synthetischen Ursprungs bestehen“ hergestellt werden, die nicht für eine wiederholte Verwendung bestimmt sind.
  • Es sei darauf hingewiesen, dass das Gesetz 160/2019 besagt, dass Einweg-Kunststoffprodukte in Form von Filmen, Folien und Bändern der Steuer unterliegen werden. Die genaue Liste der zu besteuernden Produkte wird in den Durchführungsbestimmungen festgelegt werden. Voraussichtlich werden Artikel wie Flaschen, Tüten und Lebensmittelverpackungen aus Polyethylen, Tetra Pak-Verpackungen, Verpackungen aus expandiertem Polystyrol und Kunststoffkappen von der Steuer erfasst.
  • Die Steuer wird auch auf Halbfertigerzeugnisse einschließlich Vorformen erhoben, die (ganz oder teilweise) unter Verwendung der genannten Kunststoffe hergestellt wurden und bei der Herstellung von MACSI verwendet werden.

 

Deutschland

  • In Deutschland wird nach zweimaliger Verschiebung ab dem 1. Januar 2026 die Verantwortung für die Zahlung der Plastikabgabe wie im Koalitionsvertrag festgelegt von den Steuerzahlern auf die Verursacher verlagert.
  • Die Bundesregierung ist derzeit noch dabei, die konkrete Ausgestaltung der nationalen Verteilung der EU-Kunststoffabgabe abzustimmen.
  • Es werden verschiedene Optionen geprüft. Dabei stehen der genaue Mechanismus und die Adressaten der Verordnung sowie die einbezogenen Produkte und die Höhe der nationalen Umlage der EU-Kunststoffabgabe noch nicht fest.
  • Die potenziellen Einnahmen aus dieser Steuer werden auf jährlich rund 1,4 Milliarden Euro geschätzt.

 

Was bedeutet die Kunststoffsteuer für die Wirtschaft?

Die Aufmerksamkeit für Kunststoffe nimmt nicht nur auf europäischer Ebene, sondern auch weltweit zu. Die Einführung von Kunststoffsteuern schreitet schnell voran, und es ist wichtig, sowohl über die europäischen Entwicklungen als auch über die Entwicklungen in den Ländern, in denen Unternehmen Geschäfts- oder Produktionsstätten haben, auf dem Laufenden zu bleiben. Immerhin können den Unternehmen durch die Einführung von Kunststoffsteuern erhebliche zusätzliche Kosten entstehen, auch wenn die konkreten Auswirkungen je nach Art der Kunststoffsteuer in den verschiedenen Rechtsordnungen unterschiedlich sein wird.

  • Die unmittelbare Auswirkung ist der Anstieg der Kosten für die betroffenen Hersteller und Importeure, da auf die in den Geltungsbereich fallenden Kunststoffprodukte Kunststoffsteuern erhoben werden.
  • Indirekt können komplette, nachgelagerte Lieferketten betroffen sein, da die Produktkosten steigen. Das gilt von den Unternehmen, die Kunststoffverpackungen oder -komponenten kaufen bis hin zu den Verbrauchern und sogar den Abfallentsorgern.
  • Die derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen für Kunststoffe sind in Europa nicht harmonisiert. Auch wenn auf Kunststoffprodukte keine „Kunststoffsteuer“ erhoben wird, bedeutet dies nicht, dass keine zusätzlichen Kosten mit der Verwendung oder dem Verbrauch von Kunststoffprodukten verbunden sind.
  • Es ist daher wichtig, sich über die Entwicklungen in der Gesetzgebung – sowohl im steuerlichen als auch im nichtsteuerlichen Bereich – auf dem Laufenden zu halten und ihre Anwendbarkeit auf die Organisation zu bewerten.

 

Diese Fragen sollten Sie abklären

  • Welche Arten von Kunststoffen fallen in den Anwendungsbereich (Einweg, Plastiktüten, Mikroplastik, Kunststoffabfälle usw.)?
  • Werden Beschränkungen für den prozentualen Anteil recycelbarer bzw. nicht recycelbarer Kunststoffe eingeführt?
  • Ab wann sind Kunststoffe steuerpflichtig (Einfuhr, Herstellung, Vertrieb, Markteintritt usw.)?
  • Welche Meldepflichten bestehen? Müssen neue Systeme eingeführt werden, um den prozentualen Anteil an nicht recyceltem Kunststoff zu erfassen?
  • Gibt es in dem Land, in dem eine Organisation tätig ist, weitere Kunststoffabgaben oder Abfallbeiträge?

Als B+P helfen wir Ihnen gerne bei der Beantwortung dieser Fragen. Nehmen Sie einfach Kontakt zu uns auf.


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    Jenny Walther-Thoß

    walther-thoss@bp-consultants.de