Wer hat den Lead bei der Gestaltung von Design-for-Recycling (DfR)-Standards? Innerhalb der Europäischen Kommission zeichnet sich ein politisches Ringen zwischen zwei Generaldirektionen ab. Dabei stehen sich ein pragmatischer Ansatz und ein wissenschaftlich akkurater Ansatz gegenüber. Ein Sieger zeichnet sich ab. Die Konsequenz: Sie sollten sich frühzeitig mit den etablierten Standards und der Arbeit der CEN/TC 261-Group 10 vertraut machen. Damit können Sie sich proaktiv auf die kommenden Normen einstellen. Erfahren Sie mehr.
Zwei Generaldirektionen im Fokus
Innerhalb der Europäischen Kommission zeichnet sich ein politisches Ringen um die Führung bei der Gestaltung von Design-for-Recycling (DfR)-Standards ab. Dabei stehen sich zwei Generaldirektionen mit jeweils eigenen Ansätzen gegenüber:
- DG Grow: Die Generaldirektion Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU hat auf Basis des Circular Economy Action Plan (CEAP) eine Kunststoffstrategie (KS-Strategie) entwickelt.
- DG Grow fokussiert auf den Normungsweg.
- Sie beauftragt das Europäische Komitee für Normung (CEN/TC 261-Group 10) mit der Entwicklung der Standards.
- DG Environment: Die Generaldirektion Umwelt setzt hingegen auf eine wissenschaftlich fundierte Herangehensweise und arbeitet eng mit dem Joint Research Centre (JRC) der EU zusammen.
- Die auf Forschung gestützten DfR-Methodik der DG Environment zeigt sich exemplarisch in der JRC-Veröffentlichung „Technical recommendations on possible elements and parameters of a methodology to assess recyclability of packaging“ (2024). In ihrem Rahmen wurden methodisch fundiert existente Standards ausgewertet und unter Beteiligung von Stakeholdern Kriterien zur Bewertung der Recyclingfähigkeit hergeleitet.
Strategien im Vergleich: Wirtschaft versus Wissenschaft
- DG Grow nutzt die KS-Strategie – auch wenn sie nicht rechtsverbindlich ist – als Grundlage für einen formalen Normungsauftrag an CEN.
- Diese pragmatische Strategie hat den Vorteil der schnellen Umsetzbarkeit und fügt sich gut in die Entbürokratisierungsaktivitäten der EU-Kommission ein.
- DG Environment verfolgt dagegen einen wissenschaftlich akkuraten Ansatz.
- Ziel ist eine faktenbasierte Grundlage für spätere Gesetzgebungen oder Delegated Acts zu schaffen.
Diese Parallelität führt zu Spannungen, da der wissenschaftliche Prozess langwieriger ist, während der Normungsweg schneller Ergebnisse liefert.
Vorteil Normung? Ein Wettlauf gegen die Zeit
Es gibt Belege, die darauf hindeuten, dass sich der pragmatische Ansatz von DG Grow durchsetzt.
- CEN/TC 261-Group 10 wurde beauftragt, bis November 2025 insgesamt 14 Normen für das KS-Recycling zu entwickeln. Dabei gilt:
- RecyClass wird europaweit aktuell präferiert und als de-facto-Benchmark verwendet. In Teilbereichen sind konkurrierende Industriestandards wie z.B. der von CEFLEX bei der flexiblen Verpackung im Rennen.
- Führende abpackende und verpackungsherstellende Unternehmen, die sich bereits an diesen Standards orientieren wollen, müssen allerdings damit leben, dass diese in wesentlichen Details voneinander abweichen.
- Der sogenannte „Mindeststandard“ der Zentralen Stelle findet anscheinend keine offizielle Berücksichtigung. Es bleibt dennoch denkbar, dass dieser Mindeststandard bei der Ausgestaltung zukünftiger Delegierter Rechtsakte (Delegated Acts) noch Berücksichtigung findet.
- Anfang 2025 erhielt CEN einen Ad-hoc-Auftrag von der EU-Kommission, die bestehende Standardmethodik bis Ende 2025 auf alle weiteren Verpackungskategorien auszuweiten.
Fazit
Die Entscheidung zugunsten des Normungswegs deutet auf eine klar politische Strategie hin, bei der Effizienz und Umsetzbarkeit im Vordergrund stehen. Normung ist das politische Instrument der EU-Kreislaufwirtschaft. Wissenschaftliche Tiefe wird durch parallele Prozesse gewahrt, aber vorerst nicht priorisiert.
Konsequenzen und Chancen
Für Akteure in der Verpackungsindustrie bedeutet das: Sie sollten sich frühzeitig mit den in Arbeit befindlichen Standards und der Arbeit von CEN/TC 261-Group 10 vertraut machen, um sich proaktiv auf die kommenden Normen einzustellen.
Gerne unterstützen wir Sie dabei mit einer Bewertung Ihres Verpackungs-Portfolios im Hinblick auf eine zukünftige Compliance mit den Regulierungen der PPWR. Dabei geht es um Design-for-Recycling (DfR)-Standards, aber natürlich auch um alle weiteren Anforderungen der PPWR.