Die Folgen des Ukrainekrieges

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Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine führt wirtschaftlich gesehen zu großen Unsicherheiten. Sanktionen, gestörte Lieferketten, Energiepreisexplosion, Rechtssicherheit, Produktionsstopps und Verlust von Märkten: Auch die Verpackungsindustrie ist teilweise massiv betroffen. Wir schauen für Sie auf die generelle Lage und zeigen die Situation bei den einzelnen Packstoffsegmenten sowie dem Maschinenbau. Die dahinterliegende Frage: Wie sollten Unternehmen reagieren und welche akuten Schritte sind jetzt angeraten? Wo gibt es eventuell sogar positive Effekte?

 

Als Reaktion auf den russischen Überfall haben Verpackungshersteller, wie beispielsweise Stora Enso, ihre Produktion in Russland gestoppt. Auch diverse Abpacker, die entweder in Russland oder der Ukraine produziert hatten, mussten den laufenden Betrieb einstellen. Solche Produktionsstopps unterbrechen die gesamte Wertschöpfungskette und haben entsprechend weitreichende Folgen. Unternehmen verlieren nicht nur Standorte, sondern teilweise auch ihren Absatzmarkt.

 

Folgen für die deutsche Wirtschaft

  • Für die exportgetriebene deutsche Wirtschaft war Russland bisher ein wichtiger Absatzmarkt. Noch 2021 gehörte Russland zu den 15 wichtigsten Handelspartner mit einem Abteil von 2,3 Prozent am deutschen Außenhandel.
  • Gerade begann die deutsche Wirtschaft, sich von der Coronakrise zu erholen. Jetzt hat das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) seine Frühjahrsprognose für die Zunahme der Wirtschaftsleistung in Deutschland im laufenden Jahr nahezu halbiert, von 4 auf nun 2,1 Prozent.
  • Auch die Inflation dürfte in Folge des Krieges und der Sanktionen im Energiebereich weiter steigen. Das IfW Kiel erwartet rund 5,8 Prozent.

 

Auswirkungen auf die Verpackungsindustrie

Die verschiedenen Bereiche der Verpackungsindustrie sind von dem Ukrainekrieg sehr unterschiedlich betroffen.

  • Der Export von Verpackungsmaschinen nach Russland erreichte in den ersten 11 Monaten 2021 einen Wert von fast 300 Millionen Euro. Die in Kraft geführten Sanktionen und die sich daraus ergebenden Lieferverbote betreffen weite Teile der Branche. Der VDMA geht mit Blick auf die Exporte des Gesamtmaschinenbaus (179 Milliarden in 2021) von einer Reduktion im Volumen von mehreren hundert Millionen Euro aus.
  • Kaum direkte Auswirkungen gibt es für Produzenten von faserbasierten Packmitteln in Europa, da diese größtenteils in und für lokale Märkte hergestellt werden. Mit 216 Tonnen in 2020 spielt Russland beispielsweise beim Import von Wellpappenrohpapier eine untergeordnete Rolle.
    • Als problematisch erweist sich allerdings die große Abhängigkeit der Wellpappenindustrie von der Gasversorgung. Ohne eine gesicherte Versorgung ist das reibungslose Funktionieren der Wertschöpfungskette nicht gegeben.
  • Die Schwierigkeiten bei der Versorgung mit Holz und Paletten werden in den nächsten Monaten weiter zunehmen. Noch 2021 exportierte die Ukraine 2,7 Millionen Kubikmeter Schnittholz. Russland und das ebenfalls von den Sanktionen betroffene Weißrussland exportierten zusammen fast 8 Millionen Kubikmeter Nadelholz in die EU. Alternative Lieferregionen, wie Skandinavien oder die baltischen Staaten, können dieses Defizit nur zu einem kleinen Teil decken.
  • Für die Kunststoffindustrie stellen die Probleme bei der Versorgung mit fossilen Rohstoffen eine große Herausforderung dar. Der von der EU-Kommission Anfang Mai im sechsten Sanktionspaket angekündigte, vollständige Öl-Importstopp wird die ohnehin angespannte Situation weiter verschärfen.
    • Versorgungssicherheit: Noch in 2021 kamen die benötigten Importe zu 59 Prozent aus Russland.
    • Preissteigerung: Vergleicht man den Monat vor Kriegsbeginn mit dem Monat danach, so beträgt der Preisanstieg bei den gängigen Sorten Rohöl auf dem Weltmarkt rund 20 Prozent.
  • Im Hinblick auf die Etablierung einer Kreislaufwirtschaft der Verpackung könnten die aktuellen Probleme einen positiven Nebeneffekt haben – und zwar, was den Einsatz von Rezyklaten Gestiegene Rohölpreise und die gesunkene Verfügbarkeit von „virgin plastics“ haben das Potential, den Rezyklateinsatz weiter voranzutreiben.
    • Nach Berechnungen der Industrievereinigung Kunststoffverpackungen (IK) könnte der Einsatz von recyceltem Kunststoff in Verpackungen von aktuell 475 auf circa 960 Tausend Tonnen pro Jahr ansteigen. Das wären circa 22 Prozent der Produktionsmenge.

 

Akute Schritte

Wie Unternehmen die Probleme durch Sanktionen, gestörte Lieferketten, Energiepreisexplosion, schwindende Rechtssicherheit, Produktionsstopps und dem Verlust von Standorten oder Märkten am Ende tatsächlich kompensieren können, lässt sich nicht pauschal beantworten. Zu individuell sind die Ausgangslagen der Unternehmen. Zudem sind viele Entwicklungen noch im Gange. Unabhängig davon können (und sollten) Unternehmen reagieren.

  • Grundsätzlich sollten alle Unternehmen, die aktuell noch nach Russland exportieren dürfen, ihre Geschäfte überdenken. Neben moralischen Gründen spricht ein potenzieller Backlash mit dem Verlust von Kunden für diesen Schritt.
  • Je nach Art des Geschäfts spielt auch eine Rolle, dass die Bundesregierung die Übernahme von Exportkredit- und Investitionsgarantien (Hermesdeckung) für Russland und Belarus „bis auf Weiteres“ ausgesetzt hat.
  • Für Unternehmen, die ein großes Russland- oder Ukrainegeschäft hatten, ist es angeraten, schnellst möglichst die Rohstoffversorgung sicherzustellen und neue Märkte zu suchen.


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