Do or die. 5 Empfehlungen für das Klimajahr 2022

Source. Unsplash – Martin Reisch

All-in für 1,5 °C: Der Druck zur Einhaltung von Klimaschutzzielen und entsprechenden, überprüfbaren Maßnahmen kommt von allen Seiten und steigt in einem noch nie dagewesenen Maß. Der Zwang für Unternehmen, sich diesen Anforderungen zu stellen, ist ohne Alternative. Aber welche Maßnahmen sind vorrangig? Und welche Schritte hin zu einer Klimastrategie sind ausreichend praktikabel und anerkannt, um der zunehmend rigiden Erwartungshaltung standzuhalten? Wir geben Ihnen fünf praxisbewährte Empfehlungen, nennen erste Schritte ohne Hexenwerk und einen Tipp zu Fördermöglichkeiten.

 

Ausgangslage

Die 26. UN Climate Change Conference of the Parties (COP26) in Glasgow hat Anfang November letzten Jahres die Aufmerksamkeit aller Stakeholder auf die Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf 1,5 °C gelenkt. Für dieses Ziel müssen die weltweiten Klimagasemissionen bis 2030 halbiert werden.

Der Klimapakt von Glasgow hat deutlich gemacht, dass die Tage von Kohle, fossilen Brennstoffen und Kahlschlag der Wälder gezählt sind. Investoren, Regulatoren, Auftraggeber, Zulieferer und Kunden ziehen dabei an einem Strang. Der Druck und der Zwang zu überprüfbaren Ergebnissen haben ein historisch einzigartiges Niveau erreicht. Der Kampf gegen den Klimawandel gehört ohne Alternative und Verzug ganz oben auf die Agenda.

 

Klima-Check-Points

Um die Klimaziele zu erreichen, werden in rascher Folge Messlatten und Check-Points errichtet. Sie kommen von Regulierern und Konsumentinnen, aber auch direkt aus der Wirtschaft. Drei Beispiele seien hier kurz genannt:

  • Die EU-Taxonomie trifft seit 2022 alle börsengelisteten Unternehmen. Aber fehlende Größe hat nur aufschiebende, keine aufhebende Wirkung. Denn ab 2024 werden alle Unternehmen ab 250 Mitarbeitern im Rahmen der europäischen Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) über klimarelevante Finanz- und Nachhaltigkeitsdaten berichten müssen.
  • Immer mehr Unternehmen und Anbieter aus dem B2C-Bereich werben mit klimaverträglichen Produkten. Sie haben sich zum Teil sehr ambitionierte Ziele gesetzt und diese auch für ihre Lieferkette verpflichtend gemacht. Das gilt in hohem Maß auch für die Verpackungsindustrie.
  • Am 30. März 2022 wird die EU Sustainability Product Initiative veröffentlicht. Dazu gehört auch die Green Claim Verordnung. Sie macht den Product Environmental Footprint (PEF) zukünftig zur zwingenden Grundlage für Nachhaltigkeits-Claims.

Damit stellen sich zwei entscheidende Fragen: Welche Maßnahmen sollen Unternehmen vorrangig ergreifen? Und was sind bewährte Schritte hin zu einer wirksamen Klimastrategie?

 

Bewährte Maßnahmen mit Priorität

Auf der Grundlage unserer Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Unternehmen bei der Erstellung von Klimastrategien empfehlen wir Ihnen fünf Maßnahmen. Sie stellen sicher, dass die Klimaziele Ihres Unternehmens mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen übereinstimmen. Und sie stellen sicher, dass Ihre Aktivitäten umfassend genug sind, um der wachsenden öffentlichen Aufmerksamkeit standzuhalten.

 

1. Anerkannte und fundierte Ziele setzen

Mehr als 2.200 Unternehmen aus 53 Branchen und 60 Ländern hatten sich bereits bis November 2021 wissenschaftlich fundierte Ziele zu Reduktion von schädlichen Klimagasemissionen gesetzt. Als Rahmen dient das 1,5 °C-Ziel der Initiative zur Festlegung eines wissenschaftsbasierten Klimaziels (Science Based Targets initiative; SBTi). Mehr als 1.000 Unternehmen haben sich sogar zu dem ambitionierten Netto-Null-Emissionsziel (Net-Zero) verpflichtet, für das die SBTi auf der COP26 die erste glaubwürdige und unabhängige Bewertung eingeführt hat, den Net Zero Standard.

Vor diesem Hintergrund können wir nur jedem Unternehmen empfehlen, sich SBTi-Klimaziele zu setzen. Nur so können sie anerkannt belegen und kommunizieren, dass sie sinnvolle und wirksame Klimaschutzmaßnahmen ergriffen haben. Je nach Rahmenbedingungen sollten Unternehmen entweder nach dem „normalen“ (near-term) 1,5 °C-Ziel der SBTi greifen, oder das Net-Zero-Ziel verfolgen.

Die öffentliche Verpflichtung zur Emissionsreduzierung nach Maßgabe der SBTi setzt einen Standard, der Auswirkungen auf die gesamte Wertschöpfungskette hat und durch die geforderte Berichterstattung nach Maßgabe das Carbon Disclosure Project (CDP) noch verstärkt wird.

 

2. Die gesamte Wertschöpfungskette einbeziehen

Die Herausforderungen für die Dekarbonisierung der Wertschöpfungskette sind ungleich größer als bei der Senkung von Emissionen im eigenen Unternehmen. Trotzdem führt kein Weg daran vorbei, denn die Emissionen in der Lieferkette sind durchschnittlich 11,4-mal höher, als die betrieblichen Emissionen im eigenen Unternehmen. Ergo liegen hier massive Potentiale, die gehoben werden müssen.

Gerade weil ein großer Prozentsatz der Emissionen, die dem Unternehmen bzw. seinen Produkten zugerechnet werden, in der entsprechenden Wertschöpfungskette entstehen, können große Player ihre Klimaziele nicht ohne die Maßnahmen ihrer KMU-Lieferanten erreichen. Je mehr der weltweit führenden Unternehmen sich zur Dekarbonisierung verpflichten, desto größer wird der Druck entlang der gesamten Kette. Schlupfwinkel und Klimanischen verschwinden. Es gilt: Do or die.

Wir empfehlen den Fokus auf Reduktionsmaßnahmen, die Hauptquellen für Emissionen angehen und so zu einem signifikanten Ergebnis führen. Und wir empfehlen Maßnahmen für die Bereiche, auf die Ihr Unternehmen zumindest teilweise Einfluss ausüben kann, wie beispielsweise der Bereich Lieferanten oder das Thema Geschäftsreisen.

 

3. Kooperation der Finanz- und Nachhaltigkeitsteams

Auf der COP26 wurde eine Konsolidierung und Zusammenführung der verschiedenen globalen Systeme zur Finanz- und Nachhaltigkeitsberichterstattung wie GRI (Global Reporting Standard), TCFD (Task Force on Climate-related Financial Disclosures), EU-Taxonomie und dem CDP angekündigt. Sie wird es Unternehmen voraussichtlich ab Oktober 2022 einfacher machen, auf anerkannte und belegbare Weise über ihre Klima- und Nachhaltigkeitsbilanz zu berichten. Darüber hinaus wird es für „die Außenwelt“ leichter, entsprechende Fortschritte zu verfolgen und nachzuvollziehen. Angesichts der Konsolidierung ergibt sich für Unternehmen zwangsläufig, dass die eigene Finanz- und Nachhaltigkeitsberichterstattung viel integrativer ausfallen muss. Finanz- und Nachhaltigkeitsteams müssen dafür deutlich stärker als bislang zusammenarbeiten.

Als konkreter Ausgangspunkt für die Bewertung des Ist-Zustands der eigenen Datenerhebung und Berichtsstruktur empfiehlt sich eine GAP-Analyse, die auf internationalen Standards wie TCFD, GRI oder ISSB (International Sustainability Standards Board) basiert. Unternehmen, die auf diese Weise vorausschauend handeln, gewinnen einen deutlichen Vorteil, wenn es dann ab 2024 um die Berichterstattung nach dem neuen, konsolidierten System geht.

Finanzteams sind gut darin, einen strengen Berichterstattungsprozess mit soliden Nachweisen auf der Datenseite zu etablieren, während Nachhaltigkeitsteams für die Validierung der Nachweise entscheidend sind. Unternehmen sollten für eine engere Verknüpfung der beiden Teams sorgen. Nur so können sie die Fähigkeiten beider Teams optimal für die neuen Anforderungen nutzen.

 

4. Erneuerbare Energien

Die Botschaft der COP26 war eindeutig: Fossile Brennstoffe haben ein (nahes) Verfallsdatum. Entsprechende Maßnahmen der Regierungen zur Abkehr von Kohleverstromung und Mobilität, die auf fossilen Brennstoffen basiert, werden sich 2022 häufen. Das betrifft nicht nur Europa. Auch in den USA hat sich dieser Trend noch im Dezember 2021 mit der Ankündigung von Präsident Biden, das staatliche Beschaffungswesen auf erneuerbare Energien und Elektrofahrzeuge umzustellen, beschleunigt. Diese Maßnahme des Staates als größter Stromabnehmer der USA wird eine enorme Wirkung zeigen.

Auch Unternehmen können durch die Umstellung auf erneuerbare Energien und elektrische Fahrzeugflotten erhebliche Reduktionen erzielen. Gerade in den Scope 1 & 2 können die unternehmensbezogenen Emissionen damit deutlich gesenkt werden.

Overview of GHG Protocol Scopes and Emissions Across the Value Chain – Source: ghgprotocol.org

 

5. Public-Affairs-Ziele in Einklang bringen

Eine Mitgliedschaft in Wirtschaftsverbänden, deren Klimaposition den eigenen Zielen zuwiderläuft, wird zusehends kontraproduktiv. Stakeholder achten vermehrt auf ganzheitliches und „ehrliches“ Agieren. Unternehmen sollten deshalb ihre Nachhaltigkeitsziele mit ihren Public-Affairs-Zielen in Einklang bringen und Widersprüche vermeiden. Kommunikations- und Public-Affairs-Teams müssen in Sachen Klimapolitik auf derselben Seite stehen.

 

Jetzt aktiv werden! Mit Förderung und ohne Hexenwerk

2022 ist das Jahr, um ein seriöses und anerkanntes Klima-Reporting anzugehen. Nur so können Unternehmen für Kundennachfragen gewappnet und auf gesetzliche Reporting-Pflichten vorbereitet sein.

Die Erstellung einer Klimastrategie inklusive Greenhouse Gas Inventory (GHG Inventory) und CCF (Company Carbon Footprint) muss kein Hexenwerk sein. Nicht jedes Unternehmen benötigt dafür gleich eine neue Software. Unsere Erfahrungen zeigen, dass Unternehmen auch mit Excel die ersten Schritte effektiv vollziehen können.

Auch Förderungen sind im Bereich des Möglichen. Wenn Sie überlegen, jetzt Ihre SBTi-konforme Klimastrategie anzugehen, könnte die neue Förderung des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) für Sie in Frage kommen. Seit dem 1. November 2021 werden damit Unternehmen mit Sitz in Deutschland bei der Planung und Umsetzung ihrer Transformation hin zur Klimaneutralität unterstützt.

Besonders interessant ist diese Förderung für alle Unternehmen, die 2022 ohnehin energieeinsparende und energieeffizienzsteigernde Investitionen durchführen wollen.

 

Machen Sie 2022 zu Ihrem Klimajahr! Wir unterstützen Sie gerne auf Ihrem Weg – von der Erstellung Ihrer Klimastrategie über die Ermittlung Ihres Product-Carbon-Footprint bis hin zur Nutzung von Fördermöglichkeiten.


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    Jenny Walther-Thoß

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