In unserer neuen Rubrik POLITIK informieren wir Sie von nun an regelmäßig über laufende und anstehende Diskussionen, Konsultationen und Gesetzesänderungen mit Verpackungsbezug. Das Themenfeld „Nachhaltigkeit“ wird dabei auf absehbare Zeit eine Hauptrolle spielen. Den Anfang machen wir mit einer Übersicht von Änderungen, die 2022 in Kraft treten sollen. Sie betreffen das Verpackungsgesetz, Whistleblower, Taxonomie und Berichtspflichten sowie einen neuen Richtlinienrahmen für Bio-Kunststoffe. Bleiben Sie auf dem Laufenden, um sich rechtzeitig für die in Kraft tretenden, neuen Anforderungen wappnen zu können.
Politische Rahmenbedingungen ändern sich inzwischen gefühlt im Sekundentakt. Viele davon werden uns im Produkt-, aber auch im Unternehmensbereich intensiv beschäftigen. In unserem Parforce-Ritt durch einige anstehenden Veränderungen für das Jahr 2022 werfen wir drei schnelle und drei ausführlichere Blicke.
Richtlinienrahmen Bio-Kunststoffe
Im anstehenden „policy framework on bio-based, biodegradable and compostable plastics” befasst sich die EU mit der Beschaffung, Kennzeichnung und Verwendung von biobasierten Kunststoffen. Die webbasierte, öffentliche Konsultation läuft noch bis zum 15. März 2022.
EU-Verpackungsrichtlinie
Am 20. Juli 2022 soll der Entwurf der neuen EU-„Packaging and Packaging Waste Directive“ veröffentlicht werden. In einer Überarbeitung der ursprünglich 1994 verabschiedeten Richtlinie war die EU-Kommission 2018 aufgefordert worden, die grundlegenden Anforderungen an Verpackungen zu überarbeiten. Ziel ist unter anderem, das Design für die Wiederverwendung zu verbessern, ein hochwertiges Recycling zu fördern, Overpackaging zu reduzieren und für eine Stärkung der Durchsetzung der Richtlinie zu sorgen.
EU Sustainable Product Initiative
Am 30. März 2022 soll der Entwurf der Sustainable Product Initiative veröffentlicht werden. Diese Initiative, mit der die Ökodesign-Richtlinie überarbeitet und gegebenenfalls zusätzliche Legislativmaßnahmen vorgeschlagen werden sollen, zielt darauf ab, die in der EU auf den Markt gebrachten Produkte nachhaltiger zu machen.
EU Human Rights-Richtlinie
Am 23. Februar 2022 hat die EU die Rahmenbedingungen für die EU Human Rights-Richtlinie angenommen: Die Europäische Kommission hat die Verabschiedung eines Vorschlags für eine Richtlinie über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit bekannt gegeben. Darin sind Vorschriften enthalten, die große Unternehmen dazu verpflichten, negative Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt in ihren Wertschöpfungsketten zu bewerten und zu beseitigen. Die neuen Vorschriften werden zunächst für Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und einem Umsatz von mehr als 150 Mio. EUR gelten und zwei Jahre später auf Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten und einem Umsatz von 40 Mio. EUR ausgeweitet. Das Deutsche Lieferkettengesetz wird höchstwahrscheinlich an die EU regeln angepasst werden.
Unter der Lupe: Verpackungsgesetz
Das Jahr 2022 bringt (und brachte bereits) einige Änderungen und Ergänzungen. Einige der interessantesten Neuerungen fassen wir in Folge kurz und chronologisch zusammen.
Zum 1. Januar 2022:
- Pfand: Diverse Ausnahmen im Bereich des Einweggetränkeflaschen- und Dosenpfands sind entfallen. Zudem fällt bei einigen Produkten Pfand an, die bislang pfandfrei sein konnten.
- Plastiktüten: Plastiktüten mit einer Wandstärke zwischen 15-50 my wurden verboten.
- Recyclingquoten: Die Recyclingquoten wurden erhöht. 90 Prozent der Verpackungen aus Eisenmetallen, Aluminium, Glas sowie Papier, Pappe und Karton müssen wiederverwendet werden. Vorher galt eine Quote von 85 Prozent. Für Getränkekartons ist die Quote von 75 auf 80 Prozent gestiegen.
Wichtig ist vor allem aber eine - neue Nachweispflicht: Sie betrifft die nicht systembeteiligungspflichtigen Verpackungen wie etwa Transportverpackungen. Jährlich bis zum 15. Mai müssen Hersteller und Vertreiber für das Vorjahr nachprüfbar dokumentieren, welche Menge an Verpackungsarten sie in Verkehr gebracht und zurückgenommen sowie verwertet haben. Weitere Informationen hier
Zum 1. Juli 2022…
…steht dann auch die vorerst letzte Änderungsetappe im Verpackungsgesetz an.
- Registrierungspflicht: Registrierung aller Hersteller von Verpackungen im Verpackungsregister LUCID mit Angaben zu den Verpackungsarten, die diese in Verkehr bringen. Die Registrierungspflicht gilt dann nicht mehr nur für Unternehmen, die systembeteiligungspflichtige Verpackungen abgeben, sondern künftig auch in Bezug auf nicht systembeteiligungspflichtige Verpackungen. Registrierungspflichtig ist dann auch, wer Verpackungen gemäß § 15 Absatz 1 VerpackG in Verkehr bringt, wie beispielsweise
- Transportverpackungen,
- Verkaufs- und Umverpackungen, die nach Gebrauch typischerweise nicht bei privaten Endverbrauchern als Abfall anfallen,
- Verkaufs- und Umverpackungen, für die wegen Systemunverträglichkeit nach § 7 Absatz 5 eine Systembeteiligung nicht möglich ist,
- Verkaufsverpackungen schadstoffhaltiger Füllgüter und
- Inverkehrbringer von Mehrweg- und Einweggetränkeverpackungen, die gemäß § 31 der Pfandpflicht unterliegen, sowie Letztvertreiber von Serviceverpackungen, welche die Erfüllung ihrer Pflichten auf sie delegiert haben.
- Datenmeldungen: Datenmeldungen zu den Verpackungsmengen müssen weiterhin ausschließlich für systembeteiligungspflichtige Verpackungen im gleichen zeitlichen Rhythmus und inhaltlich 1:1 bei den Systemen und im Verpackungsregister LUCID abgegeben werden.
- Serviceverpackungen: Auch Letztvertreiber von Serviceverpackungen im Verpackungsregister LUCID, welche die Erfüllung ihrer Pflichten vollständig an eine Vorvertreiberstufe delegiert haben, müssen sich registrieren. Künftig ist außerdem im Register die „Delegation“ durch Anklicken einer Checkbox zu bestätigen.
- Elektronische Marktplätze/ Plattformen: Für „elektronische Marktplätze/ Plattformen und Fulfillment-Dienstleister“ gibt es neue, erweiterte Verantwortungen. Sie dürfen das Anbieten systembeteiligungspflichtiger Verpackungen zum Verkauf nur dann ermöglichen, wenn der Hersteller diese systembeteiligt hat und er im Verpackungsregister LUCID registriert ist. Fulfillment-Dienstleister dürfen ihre Tätigkeiten nur gegenüber solchen Unternehmen erbringen, die ihrer Pflicht zur Registrierung im Verpackungsregister LUCID und ihrer Systembeteiligungspflicht nachgekommen sind.
Unter der Lupe: Whistleblower-Richtlinie
Die „Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“ (EU 2019/1937) garantiert den Hinweisgebern (Whistleblowern), die Verstöße gegen EU-Recht melden wollen, künftig einerseits mehr Schutz und verpflichtet andererseits öffentliche und private Organisationen dazu, sichere Kanäle für die Meldung von Missständen einzurichten.
Die Richtlinie wurde am 7. Oktober 2019 vom Rat der Europäischen Union verabschiedet. Bis zum 17.Dezember 2021 hätte Deutschland diese in nationales Recht umsetzen müssen, was bis zum Februar 2022 noch nicht geschehen ist. Daher gelten seit Januar 2022 die Regelungen der EU-Richtlinie auch für Deutschland, bis eine nationale Umsetzung vorliegt.
Die Richtlinie betrifft alle Unternehmen ab 250 Mitarbeitern. Unternehmen zwischen 50 und 249 Mitarbeitern müssen die Richtlinie bis zum 17.12.2023 umgesetzt haben.
Weitere Informationen was dies genau für Unternehmen bedeutet, haben wir für Sie auf unserer Webseite bereitgestellt.
EU-Taxonomie und Berichtspflichten
Kapitalmarktorientierte Unternehmen aus der Realwirtschaft, die nach CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG; siehe Newsletter-Beitrag „Quo vadis ESG-Berichterstattung) zu einer nicht-finanziellen Berichterstattung verpflichtet sind, müssen im Rahmen der EU-Taxonomie ab 2022 – also rückwirkend für das Geschäftsjahr 2021 – erstmalig angeben, wie und in welchem Umfang ihre Tätigkeiten mit als nachhaltig einzustufenden, „grünen“ Wirtschaftstätigkeiten verbunden sind.
Die entsprechende Verordnung (EU) 2020/852 wurde von Rat und Parlament der EU am 22. Juni 2020 beschlossen und kommt seit dem 1. Januar 2022 zur Anwendung.
Das Regelwerk ist Teil der Implementierung des Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums. Gleichzeitig zahlt es auf die Umsetzung des von der EU gesetzten Ziels der Klimaneutralität bis 2050 ein.
Die betroffenen Unternehmen müssen entsprechend der Taxonomie für das Geschäftsjahr 2021 über ihre Ziele zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel berichten. Ab dem Geschäftsjahr 2022 müssen sie auch über die restlichen vier Umweltziele berichten (Nachhaltige Nutzung von Wasserressourcen, Wandel zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung von Verschmutzung und Schutz von Ökosystemen und Biodiversität).
Im Fokus der Berichterstattung stehen drei Kennzahlen:
- Umsatz: Anteil des Umsatzes von Produkten oder Dienstleistungen im Zusammenhang mit ökologisch nachhaltigen Wirtschaftsaktivitäten
- CapEx und OpEx: Anteil der Gesamtinvestitionen (CapEx) und/oder Anteil der Betriebsausgaben (OpEx) im Zusammenhang mit Vermögenswerten oder Prozessen, die mit ökologisch nachhaltigen Wirtschaftsaktivitäten verbunden sind
Bis jetzt trifft dies nur die am Kapitalmarkt gelisteten Unternehmen in Deutschland. Aber mit dem am 21. April 2021 von der EU-Kommission angenommenen und nun vorliegenden Entwurf der Revision der CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) würde sich der Kreis der betroffenen Unternehmen ab 2024 massiv auf alle Unternehmen ab 250 Mitarbeitern ausweiten.