Home-Office und verstärkte Onlinekäufe in Zeiten von Corona haben in den letzten Monaten zu einem 10-prozentigen Anstieg gebrauchter Kunststoffverpackungen geführt. Gleichzeitig ist die Nachfrage nach Kunststoffrezyklaten jedoch drastisch eingebrochen. Die Hauptursache ist bekannt: Verringerte Wirtschaftstätigkeiten durch die Pandemie haben zu einem Rückgang des Ölpreises geführt. Virgin Plastic hat gegenüber Rezyklat einen erheblichen Kostenvorteil aufgebaut. Das torpediert den festgeschriebenen Wandel hin zur Kreislaufwirtschaft. Die Bundesregierung muss die Zeit ihrer EU-Ratspräsidentschaft deshalb dringend nutzen, um den Markt und den Unternehmen mit der richtigen Weichenstellung Halt und Richtung zu geben.
Am 1. Juli 2020 hat Deutschland für sechs Monate die Präsidentschaft im Rat der Europäischen Union (EU) übernommen. Der Rat der Europäischen Union ist eines der wichtigsten Organe der EU. Die Aufgaben der Präsidentschaft bestehen in erster Linie darin, die Sitzungen des Rates und seiner vorbereitenden Ausschüsse und Arbeitsgruppen zu leiten. Darüber hinaus vertritt Deutschland den Rat bei den Verhandlungen über EU-Gesetzgebungsakte mit dem Europäischem Parlament und der Europäischen Kommission sowie gegenüber Drittstaaten und internationalen Organisationen.
Die Bundesregierung muss diese Gelegenheit nutzen, um wichtige Weichenstellungen für den Wandel hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft vorzunehmen. Markt und Unternehmen brauchen dringend Halt und Richtung. Denn die verringerten Wirtschaftstätigkeiten im Zuge von Covid19 haben dafür gesorgt, dass der Ölpreis und damit auch die Kosten für die Produktion von Neuplastik deutlich gesunken sind. Das ist ein Faktor, der die ohnehin bestehenden Quasi-Förderungen von Neu-Kunststoff durch die Befreiung von der Mineralölsteuer und der EEG-Umlage weiter verstärkt.
Der große Pandemie-Verlierer ist das Kunststoff-Rezyklat, das relativ gesehen deutlich teurer geworden ist. Der Einsatz rechnet sich nicht mehr. Erste Kunststoffrecycler sind bereits in existentielle Schwierigkeiten geraten.
Was es braucht, sind aktive Instrumente, um den Einsatz von Kunststoffrezyklat zu fördern. Die jüngst beschlossene Steuer auf nicht recycelten Kunststoff von 80 Cent pro Kilogramm, die ab dem nächsten Jahr greift, geht diesen Weg bereits. Aber es wäre mehr möglich, beispielsweise ein Fondsystem, eine klar definierte Mindestquote für den Rezyklateinsatz oder ein stärkerer Fokus auf Nachhaltigkeit im Bereich öffentliche Beschaffung.
Der Green Deal der EU hat bereits zentrale Pflöcke auf dem Weg zu einer nachhaltigen Wirtschaft eingeschlagen: Klima und Kreislaufwirtschaft. Dahinter steckt in hohem Maße auch ein wirtschaftliches Thema, das auf die Entwicklung (und Export) von Technologielösungen aufbaut und im gleichen Zug Arbeitsplätze schaffen will. Die Maßnahmen schlagen bereits durch. Beispielsweise dort, wo nicht mehr finanziert wird, was nicht in den Green Deal einzahlt.
Der Wandel hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft braucht zwingend stringentes Handeln und verlässliche Rahmenbedingungen. Wenn klar ist, dass Kreislaufwirtschaft und Klima im Zentrum stehen, dann können Unternehmen diesen Faden aufnehmen. Das gibt Halt, Orientierung, Richtung und Handlungsspielraum. Als EU-Ratspräsident sollte Deutschland noch bis Ende des Jahres hier Ernst machen.