Schockstarre oder Innovation? Was ist 2024 passiert? Was bringt 2025?

Image Source: shutterstock | New Africa

Ist das Glas bei Innovationen halb voll oder halb leer? Wir blicken zurück auf die etablierten Themen, die Top-Trendthemen und aufkommende Trends des Jahres 2024. Und wir blicken voraus auf die wichtigsten Innovationsfelder für das neue Jahr. Dazu schauen wir auch auf den letzten Progress Report der Ellen MacArthur Foundation und klären die zentralen Herausforderungen der PPWR. Was für das neue Jahr sicher feststeht: Verpackung wird Chefsache!

 

Das Big Picture

Warum entsteht der Eindruck, dass auch im Bereich der Verpackungsinnovationen trotz PPWR-Verabschiedung gar nichts oder zumindest zu wenig passiert? Ist es die aktuelle Schockstarre im Verpackungsmarkt? Oder liegt es daran, dass der Druck zur Umstellung von Verpackungen und Spezifikationen im großen Stil nicht hoch genug ist? Immerhin wurde die PPWR erst am 26.11. final vom EU-Parlament genehmigt und die Sitzung im Council steht noch aus. Selbst, wenn das passiert, ist ja noch Zeit bis 2030.

Eine entscheidende Rolle spielt sicher auch, dass die anstehenden Änderungen mit relevantem Umstellungsaufwand verbunden sind und in der Regel oft zu dauerhaften Mehrkosten führen. Ohne eine Level Playing Field wird sich kein Marktteilnehmer schon jetzt zu weitreichenden Änderungen überzeugen lassen – vor allem nicht in der aktuell schwierigen wirtschaftlichen Konstellation.

 

Beispiel Kunststoff

Der Progress Report 2023 der Ellen MacArthur Foundation macht deutlich, dass Fortschritte in Bezug auf die Recyclingfähigkeit und die Reduzierung von Neuplastik bislang begrenzt geblieben sind, trotz zahlreicher Initiativen und freiwilliger Verpflichtungen seitens der Unternehmen der Verpackungsindustrie.

Die zentralen Herausforderungen der PPWR

Trotz der oben genannten Einschränkungen: Die Verpackungs- und Verpackungsabfallverordnung (PPWR) der Europäischen Union klopfte 2024 verstärkt an die Tür und steht mittlerweile auf der Schwelle. Sie wird 2025 weiter in den Vordergrund rücken und zum zentralen Compliance-Thema werden.

Als Teil des Green Deals setzt die Packaging and Packaging Waste Regulation neue, strenge Maßstäbe für die Reduzierung von Verpackungsabfällen und die Förderung der Kreislaufwirtschaft. Unternehmen, die die Vorgaben nicht erfüllen, riskieren nicht nur Geldstrafen, sondern auch den Verlust der Marktzulassung für bestimmte Produkte.

Für alle Stufen der Verpackungswertschöpfungskette führt kein Weg an der PPWR vorbei. Umso wichtiger ist es, sich die Haupt-Handlungsfelder in Erinnerung zu rufen.

  1. Reduktionen bei Material und Kopfraum
  2. Berücksichtigung der zukünftigen Verbote beispielsweise im Bereich Multipacks
  3. Herstellung der notwendigen Recyclingfähigkeit (Design for Recycling) inklusive Definition und Ausschließung vermeintlicher „Substances of concern“ (SoC)
  4. Aufbau der erforderlichen Rezyklat-Kapazitäten im Bereich der Kunststoffe

Das alles muss bei gleichzeitiger Gewährleistung der Verarbeitbarkeit der Verpackungslösungen auf den bestehenden Maschinen erfolgen. Das erfordert jedoch einen hohen Vorbereitungsaufwand, nicht zuletzt aufgrund der notwendigen Abpacktests und Umbauten.

 

Rückblick 2024

Wer unsere Newsletter-Beiträge des letzten Jahres verfolgt hat, weiß, dass die Branche bei allen Unkenrufen auch in 2024 erfolgreich an klaren Innovationsschwerpunkten gearbeitet hat. Dabei zeigten sich etablierte Themen, ein Top-Trendthema und klare Trends.

Etablierte Themen: Monomaterial und Multilayer

Der Einsatz von recyclingfähigen Monomaterialien anstelle von schwer recycelbaren Multilayern wurde in vielen Unternehmen im Rahmen von Abpackversuchen getestet. Dabei wurden wertvolle Erkenntnisse hinsichtlich der Maschinengängigkeit gewonnen.

Top-Trendthema: Einsatz von PCR

Getrieben durch regulatorische Anforderungen und Verbraucherwünsche entwickelte sich der Einsatz von Post-Consumer-Rezyklat (PCR) zum zentralen Innovationsfeld. Allerdings tritt bei gesteigerter Nachfrage der Mangel an für den Food Contact geeigneten Materialien im Bereich der Polyolefine immer deutlicher zutage. Zudem wurde der Knoten bei den notwendigen Investitionen in entsprechende Recyclingtechnologie noch nicht zerschlagen.

Klarer Trend: Faser und Barriere

Faserbasierte Verpackungen inklusive der notwendigen Barrieren gewannen 2024 noch einmal deutlich an Bedeutung. Sie wurden vor allem als potenzielle Alternative angesehen, wenn der Einsatz von PCR nicht in ausreichendem Maße realisierbar sein sollte.

Klarer Trend: Fokus auf den CO2-Fußabdruck

Der CO₂-Fußabdruck der Verpackung rückte noch stärker in den Fokus. Die wachsenden Bestrebungen der Unternehmen, selbst klimaneutral zu werden, hat Einfluss auf die Verpackungen. Sie wird in die Pflicht genommen, ihren Beitrag zu diesem Ziel zu leisten.

Man könnte zu dem Schluss kommen: Aller Anfang ist schwer. Es ist nun mal so, dass beim Fliegen, die meiste Energie beim Start und bei der Landung verbraucht wird. Dennoch müssen Unternehmen ihre Vorbereitungen treffen, um in Bezug auf die Hauptaktionsfelder des PPWR handlungs- und auskunftsfähig zu sein. Dies gilt für alle Stufen der Wertschöpfungskette von Verpackungen. Nur so können sie ab 2025 langsam abheben.

 

Ausblick 2025

Um langsam abzuheben, benötigen wir darüber hinaus sprunghafte Weiterentwicklungen. Wir hoffen auf Innovationen besonders in einigen zentralen Feldern:

Verbesserung der Recyclingfähigkeit

Garbage in – Garbage out. Zur Steigerung des Rezyklateinsatzes benötigen wir dringend eine entsprechend gute Inputqualität. Um die zu erreichen, bedarf es konkreter Umstellungen der Spezifikation auf recyclingfähigere Materialien.

Verstärkter Einsatz von PCR

Unternehmen sollten dringend in Partnerschaften und endlich auch in geeignete ökonomisch und ökologisch sinnvolle Recycling-Technologien investieren. Nur so lässt sich der Zugang zu PCR verbessern. Der rechtliche Rahmen dafür wird sich unseres Erachtens freundlicher gestalten.

Paperization

Faserbasierte Verpackungen werden einen Aufschwung erleben. Das gilt insbesondere dann, wenn sie noch weiter verbesserte Barriereeigenschaften bieten. Klar ist aber auch: Die Hausaufgaben bezüglich der Recyclingfähigkeit gelten auch hier.

Biobasierte Materialien

Wir erwarten, dass sich die Entwicklung und Kapazitätserweiterungen im Bereich Biokunststoffe intensivieren werden. Treiber wird hier nicht zuletzt eine mögliche Anrechnung auf die Rezyklateinsatzquote im Rahmen der PPWR sein.

 

Wie viel Zeit bleibt?

Unseres Erachtens unterschätzen viele Unternehmen sowohl den zeitlichen wie auch den inhaltlichen Vorlauf noch viel zu häufig und oft in gravierendem Umfang. Selbst bei konservativer Schätzung gehen wir davon aus, dass 15 bis 20 Prozent aller Verpackungsspezifikationen im Bereich der Primärverpackungen angepasst werden müssen.

Wenn man sich das vor Augen führt, ist klar: Es kann gar nicht früh genug losgehen.

Wir sind sicher, dass der Regulierer trotz neuer Kommission alles tun wird, um die definierten Zielsetzungen zu erreichen. Gegebenenfalls greift er dazu auch bereits diskutierte Instrumente wie den Gutschriftenhandel wieder auf. Eine Reduktion der Rezyklateinsatzquote ist allerdings nicht zu erwarten (auch wenn es beim „Wie“ zu Zugeständnissen kommen könnte).

 

Die nötigen Konsequenzen

Um die Herausforderungen zu meistern, bedarf es eines organisatorischen Rahmens in den Unternehmen und einer klar definierten Ownership. Verpackung wird zur Chefsache.

Innovationen zum Erreichen von Compliance und die Rechtssicherheit der eigenen Innovationsarbeit sind zentral. Dazu gehören die notwendige Aufwertung der Packaging-Abteilung und eine notwendige bessere personelle Ausstattung. Darauf hatten wir vor genau einem Jahr an dieser Stelle bereits hingewiesen.

Man mag es beklagen, aber Fakt ist: Rechtssicherheit kostete früher nur einen Bruchteil der Zeit und des Fachwissens, die heute erforderlich sind. Einigen Unternehmen haben das erkannt und sind erste Schritte gegangen. Andere sind noch nicht einmal beim Boarding. Das Fazit ist eindeutig: Es bleibt noch viel zu tun.


    Sie haben Fragen zu diesem Artikel?






    Avatar-Foto

    Ihr Ansprechpartner

    Matthias Giebel
    0 30 / 367 524-21
    giebel@bp-consultants.de