Chemisches Recycling: Augen auf bei der Wahl des Verfahrens.

Fotoquelle: "Dr. Andreas Kicherer with a sample of pyrolysis oil from plastic waste in front of the Steamcracker" by BASF - We create chemistry is licensed under CC BY-NC-ND 2.0

Chemisches Recycling ist nicht der Heilige Gral. Die Augen verschließen wäre aber grundfalsch, denn wir können nicht ohne, gerade bei den volumenstarken Lebensmittelkontakt-Anwendungen. Worauf es ankommt, ist die Wahl des ökologisch richtigen Verfahrens. Und genau an dieser Frage entzünden sich die Konflikte.

 

Um die Klimawirkung des chemischen Recyclings ist eine kontroverse Diskussion entbrannt. Wirtschaft und NGOs legen Studien vor, die zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Während die EU eher Pro orientiert ist, tendiert Deutschland noch zum Contra. Eine Position, die auf Dauer nicht zu halten ist.

Denn es führt aktuell kein Weg am chemischen Recycling vorbei. Es mag nicht der Heilige Gral zur Lösung der Kunststoff-Kreislauffrage sein. Aber im Moment fehlen uns schlicht die Alternativen. Speziell in den volumenstarken Lebensmittelkontakt-Anwendungen stößt das mechanische Recycling noch an seine Grenzen, da Food-Verpackungen am komplexesten sind. Weiß sie gleichzeitig den größten CO2-Fußabdruck haben, muss man sie zwingend recyceln.

Wenn wir die Kreisläufe schließen wollen, stehen wir also nicht vor einer Ja-oder-Nein-Frage. Wir stehen vor der Frage, welches chemische Verfahren noch ökologisch sinnvoll ist. Diese Frage müssen wir entscheiden – und gleichzeitig das mechanische Recycling durch hohe Investitionen in Infrastruktur weiter fördern. Denn am Ende wird eine sinnvolle Kombination aus chemischem und mechanischem Recycling die Lösung bringen. Hier können beide ihre jeweiligen Stärken einbringen.

Kontroverse Diskussionen
In jüngster Zeit wurden eine Vielzahl von Studien über die Klimawirksamkeit des chemischen Recyclings veröffentlicht. Die Ergebnisse und ihre jeweilige Interpretation haben zu heftigen Kontroversen geführt, die Regulierer, NGOs und Wirtschaft spalten.

Während Untersuchungen beispielsweise von BASF oder von CE Delft den Klimanutzen des chemischen Recyclings belegen, kommt eine kürzlich erschienene Studie verschiedener NGOs unter Beteiligung der Deutschen Umwelthilfe (DHU) zu einem anderen Ergebnis.

Auch auf politischer Ebene herrscht keine Einigkeit. So hat die EU das chemische Recycling in ihrer Abfallrichtlinie und in ihrer Verpackungsdirektive bereits als zulässiges Recyclingverfahren für Kunststoffverpackungen eingestuft. Viele Länder der EU sind dem gefolgt. Anders Deutschland, das sich weiterhin zurückhält und das chemische Recycling im nationalen Verpackungsgesetz bislang ausschließt. Als Gründe werden vom Umweltbundesamt (UBA) die fehlende Datengrundlage für eine wirtschaftliche und ökologische Bewertung genannt.

Ganz unrecht hat das UBA damit nicht. Denn es ist unbestritten, dass chemisches Recycling energieintensiv ist. Die Frage, ob vor diesem Hintergrund eine thermische Verwertung mit gleichzeitiger Neuproduktion aus sogenanntem „Virgin Plastic“ nicht klimapositiver wäre, ist bisher nicht beantwortet. Deshalb wird auch die EU mit Blick auf die Klimaziele das chemische Recycling weiterhin kritisch begleiten.

Der Weg
Wenn wir nicht auf die chemische Wiederverwertung verzichten können, müssen wir uns der Aufgabe einer differenzierten Bewertung der einzelnen Verfahren stellen. Das schließt weitere Forschung zu den ökologischen Auswirkungen und speziell zur Klimafrage ein. Klar ist bereits jetzt, dass es zwischen Pyrolyse, Depolymerisation und Lösemittelverfahren relevante Unterschiede gibt.

Gleichzeitig gilt es, die Infrastruktur für das mechanische Recycling weiter massiv zu fördern. Denn nur so können wir das Potential der werkstofflichen Verwertung, die uns heute schon zur Verfügung steht, komplett ausschöpfen – während wir beim chemischen Recycling das ökologisch sinnvollste Verfahren identifizieren.


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