Ist HolyGrail 2.0 wirklich der Heilige Kreislauf-Gral?

© Digimarc Corporation

Vor dem Hintergrund steigender Umweltschutzregulierungen und verschärfter Recyclingquoten geraten Verpackungshersteller, und hier insbesondere die Kunststoffindustrie, unter Druck. Denn noch immer gehen viel zu große Teile der recycelbaren Materialien im Recyclingprozess verloren. Die Initiative HolyGrail 2.0 will das durch den Einsatz von digitaler Markertechnologie ändern. Immer mehr Unternehmen schließen sich der Initiative an. Aber löst sie das Problem tatsächlich? Wir haben uns angeschaut, wo die Chancen liegen, wie das Rollout aussieht und warum HolyGrail ein guter Weg ist, um Abfälle besser zu trennen, aber keine Lösung für die Ursache darstellt.

 

Es ist schon in EU-Recht gegossen: Bis 2030 dürfen nur noch Kunststoffverpackungen auf den Markt gebracht werden, die zu 100 Prozent recycelbar, wiederverwendbar oder kompostierbar sind. Gleichzeitig gehen aktuell in Deutschland bis zu 30 Prozent der recycelbaren Materialien durch unsachgemäße Entsorgung und Sortierung verloren – und das in einem Markt, der in Bezug auf Sammlungs- und Wiederverwertungs-Infrastruktur vergleichsweise gut aufgestellt ist. (Die Zahl bezieht sich auf Gesamtabfälle. Einzelne Materialfraktionen schneiden gegenüber diesem Durchschnitt deutlich besser oder schlechter ab. Das grundsätzliche Problem aber bleibt.)

Die Initiative HolyGrail 2.0 ist hier sicherlich zielführend. Sie wird Output und Qualität im Recyclingprozess durch den Einsatz von digitalen Wasserzeichen merklich verbessern. Sie ändert allerdings nichts an der grundsätzlichen Herausforderung, die Verpackungsmenge und das eingesetzte Material insgesamt zu reduzieren.

 

HolyGrail 2.0

Holy Grail 2.0 – Digital Watermarks (HG 2.0) ist eine Initiative der European Brands Association (AIM), die von der Alliance to End Plastic Waste angetrieben wird. Über 130 Unternehmen und Organisationen aus der gesamten Wertschöpfungskette der Verpackung haben sich HG 2.0 bereits angeschlossen.

Ziel der Initiative ist, die intelligente Verpackungssortierung und die stoffliche Wiederverwertung auf europäischer Ebene voranzubringen. Grundlage dafür sind unsichtbare, maschinell auslesbare Markierungen auf der Verpackung. Die UV-Marker oder Digimarc-Wasserzeichen geben Informationen zur Zusammensetzung und der Qualität des Materials und ermöglichen damit eine effizientere und effektivere Sortierung sowie Weiterverarbeitung der eingesammelten Verpackungen. Ausgelesen werden die Marker über hochauflösende Kameras mit leistungsstarken LED-Leuchten.

 

Chancen für das Recycling durch HG 2.0

  • Eine verbesserte Sortierung hat das Potenzial, in Europa jährlich 1.500 bis 3.500 kt zusätzliches Verpackungsmaterial optimal wiederzuverwenden und beispielsweise zu hochwertigem Rezyklat zu verarbeiten.
    • Geht man davon aus, dass eine Verpackung im Schnitt 40 Gramm wiegt, dann entsprächen 1.500 kt mithin 37,5 Mrd. Verpackungen, die pro Jahr zusätzlich recycelt werden könnten.

 

Der HolyGrail 2.0 Rollout

Der Rollout erfolgt in drei Phasen.

  • Phase I: Das digitale Wasserzeichen wird bis Mitte 2021 in die Praxis umgesetzt. Die Maschinenhersteller Tomra und Pellenc erstellen zwei marktreife Prototypmaschinen, die den realen Anforderungen einer Markteinführung entlang der gesamten Wertschöpfungskette entsprechen.
  • Phase II: Von Juli bis Dezember 2021 wird eine Machbarkeitsanalyse der digitalen Wasserzeichentechnologie durchgeführt. In Zusammenarbeit mit Marken, Einzelhändlern und Verarbeitern werden Muster hergestellt und eingeführt. Die Tests erfolgen in Lahnstein (D) und Kopenhagen (DK).
  • Phase III: Ab Anfang 2022 soll ein groß angelegter Test unter realen Bedingungen bei Multi-Reuse-Anlagen, Organisationen für Herstellerverantwortung und Recyclern in Deutschland und Frankreich stattfinden. Dazu werden umfangreiche Marktmuster vorgestellt und die Produktions- und Recyclingindustrie vollständig auf die Einführung des digitalen Wasserzeichens eingestellt.

 

Spiel, Satz, aber noch kein Sieg

Ganz klar: HolyGrail 2.0 ist ein echter Fortschritt. Die Initiative

  • verbessert die Sortierqualität und steigert damit die Reinheit der Sortierfraktionen,
  • erhöht dadurch den Wert der jeweiligen Sortierfraktion
  • und verbessert dadurch die Recyclingfähigkeit bzw. die Ausbeute in den folgenden Prozessstufen.

Auf der Plus-Seite steht also ein quantitativ und qualitativ besseres Ergebnis beim Recycling.

HG 2.0 ändert jedoch nichts an dem Problem, dass zu viel Verpackungsmenge und zu viel Verpackungsmaterial im Einsatz sind. Die Initiative setzt also eher am Ergebnis an, als dass sie eine Lösung für das zugrundeliegende Problem darstellt.

Auch wenn sich das HolyGrail-System durchsetzt, sind wir immer noch viele Jahre von einer flächendeckenden europäischen Lösung entfernt.


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