ReShaping Plastics-Studie: Zwei zentrale Herausforderungen für die Kreislaufwirtschaft in der Verpackungsindustrie

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Am 09. April 2022 wurde die Studie „ReShaping Plastics“ vorgestellt. Die Erhebung der Denkfabrik SystemIQ wurde im Auftrag von PlasticsEurope mit Unterstützung eines unabhängigen Lenkungsausschusses und Expertenpanels erstellt. Beteiligt waren Vertreter von EU-Institutionen, Nichtregierungsorganisationen, Hochschulen und Industrie. Darunter auch Matthias Giebel, Partner for Sustainability & Innovation bei B+P Consultants und Mitherausgeber dieses Newsletters. In unserem Autorenbeitrag bewertet er für Sie die Ergebnisse der Studie aus der Perspektive der Verpackungsindustrie und nennt spezifische Herausforderungen.

 

Einleitung

Es war mir eine Ehre, als Experte für die Verpackungsindustrie am Expertengremium der „ReShaping Plastics“-Studie teilzunehmen. Sie wurde am 04. April 2022 vorgestellt und ich möchte mit Ihnen einige Gedanken dazu aus der Perspektive der Verpackungsindustrie teilen.

Zunächst möchte ich jedoch erläutern, dass es die Aufgabe der Mitglieder des Expertengremiums ist –  wie im Bericht angegeben – die Hypothesen zu überprüfen und Beiträge zum Studienansatz zu liefern. Dies bedeutet aber nicht, dass alle Aussagen ihre individuellen Ansichten oder die der Organisationen, die sie vertreten, wiedergeben.

 

Bewertung der Studie

Ich bin der Meinung, dass die Studie insgesamt ein starker Aufruf zum Handeln an alle Interessengruppen ist. Die Studie hat absolut Recht, wenn sie darauf hinweist, dass „das europäische Kunststoffsystem sich bereits an die Herausforderungen des Klimaschutzes und der Kreislaufwirtschaft anpasst, aber noch nicht schnell genug, um die Ziele der Circular Plastics Alliance, des European Green Deals oder der Klimaabkommen von Paris und Glasgow zu erreichen“.

Die Studie hat außerdem Recht, wenn sie zu dem Ergebnis kommt: „Die Hebel der Kreislaufwirtschaft sind die schnellste, erschwinglichste, effektivste und zuverlässigste Methode zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen und Abfallentsorgung, die den Akteuren heute zur Verfügung steht, und die meisten ihrer Vorteile können vor 2040 erreicht werden.“

 

Spezifische Herausforderungen

Nichtsdestotrotz sind spezifische Herausforderungen zu bewältigen, von denen ich nur zwei erwähnen möchte, die für ein erfolgreiches Kreislaufszenario gerade in der Verpackungsindustrie entscheidend sein werden:

  1. Es wird erwartet, dass das mechanische (werkstoffliche) Recycling über alle Teilsysteme hinweg bis 2030 um das 1,8-fache auf fast 6 Mio. Tonnen ansteigen wird. Dies erfordert ein recyclinggerechtes Design sowie eine Skalierung der gesamten Recycling-wertschöpfungskette, einschließlich Sammlung und Sortierung.

Kritisch erscheint mir, dass es bisher sowohl an verbindlichen rechtlichen Rahmenbedingungen (Lebensmittelkontaktvorschriften!) als auch an Investitionen mangelt.

  1. Es wird ferner erwartet, dass das Chemische Recycling bis 2030 auf 3 Mio. Tonnen ansteigt und zu einem Systemwechsel führt. Allerdings nur für die Verpackungsindustrie, da die Anforderungen an die Verpackung durch den Lebensmittelkontakt höher sind als in Branchen wie der Automobilindustrie.

 

Das Chemische Recycling sollte in der Verpackungsindustrie dazu genutzt werden, die am schwersten zu bewältigenden Abfallströme anzugehen und so die Kreislaufwirtschaft für Lebensmittelverpackungen dort zu ermöglichen, wo das mechanische Recycling die Anforderungen an Lebensmittelsicherheit und Hygiene nicht erfüllt.

Die chemischen Recyclinglösungen befinden sich zum Teil noch im Versuchsstadium. Die Kunststoffindustrie ist bereit, schon in den nächsten Jahren 2,6 Mrd. Euro zu investieren. Aus meiner Sicht ist es dabei entscheidend, dass nur in Lösungen investiert und nur Lösungen eingeführt werden, die sowohl wirtschaftlich als auch ökologisch sinnvoll sind.

Noch fehlen jedoch dazu die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die definieren, welche chemischen Recyclingverfahren ökologisch sinnvoll sind und in Folge entsprechend auf die Erfüllung der Recyclingquote angerechnet werden. Der WWF fordert in dieser Beziehung beispielsweise, dass nur Verfahren Anerkennung finden, die zumindest eine 20-prozentige Verringerung des Kohlenstofffußabdrucks im Vergleich zur Produktion von Neuprodukten nachweisen können.

 

Denkanstoß und Anregung

In der Studie „ReShaping Plastics“ heißt es, dass „die nächsten drei bis fünf Jahre ein kritisches Zeitfenster für Maßnahmen sind“, und ich kann dem insbesondere für die Verpackungsindustrie nur zustimmen. Ich hoffe, dass die Studie Denkanstöße liefert und alle Interessengruppen dazu anregt, die in der Studie aufgezeigten Hindernisse zu überwinden.

 

LINK zur Studie


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