In unserem ersten Newsletter des Jahres 2022 hatten wir Ihnen die Top-10-Trends der Verpackungsindustrie vorgestellt. Sie waren das Ergebnis einer B+P-Studie, in der wir die wichtigsten und folgenreichsten Marktentwicklungen und -tendenzen genauer untersucht hatten. Zum anstehenden Jahreswechsel wollen wir diese Trends auf den Prüfstand stellen – und schauen, was uns 2023 erwartet.
Gegen Anfang 2022 hatten wir prognostiziert, dass die Verpackungsindustrie vor tief- und weitreichenden Umbrüchen steht. Unter der Überschrift „Stabilität war gestern“ hatten wir im Februar auf der Grundlage einer eigenen Studie zu den Top 10 Trends der Verpackungsindustrie von einem Markt gesprochen, der immer komplexer, unübersichtlicher und gleichzeitig dynamischer wird.
Der Einmarsch Russlands in die Ukraine mit all seinen Folgen hat diese Tendenz weiter verstärkt. Neue, meist unerwartete Veränderungen und einschneidende Marktverwerfungen waren die Folge.
Unsere Einschätzung, dass die Zukunftsfähigkeit vieler Geschäftsmodelle in Frage steht und Entscheidungssicherheit zu einem kargen Gut geworden ist, hat sich leider bestätigt – und wurde durch die Ereignisse doppelt unterstrichen. Zu den neuen Ereignissen mit disruptiven Folgen kommen weiterhin Veränderungen, die schon seit vielen Jahren bekannt sind – aber von einem Großteil der Verpackungsindustrie verschlafen wurden.
Es gibt aber auch eine gute Nachricht: Die Auswirkungen sind hier wie dort gravierend, aber kontrollierbar. Die Verpackungsindustrie steht vor disruptiven Veränderungen, die viele Risiken mit sich bringt aber auch große Chancen bietet. Entscheidend ist es, die am weitesten reichenden und dynamischsten Trend zu kennen und zu verinnerlichen. Denn nur tiefe und breite Marktkenntnis führt zu sicheren und erfolgreichen Entscheidungen. Mit den „Top-10-Trends revisited“ wollen wir dafür eine erste Grundlage legen. Wir stehen auch im neuen Jahr gerne an Ihrer Seite.
Top-10-Trends revisited
Unsere Einschätzung von Anfang des Jahres finden Sie am Anfang der Trends.
In der Folge bewerten wir und blicken nach vorne.
Trend #1: Verbraucher erwarten mehr Nachhaltigkeit (Bestätigt mit Ergänzungen)
Eine neue Generation verändert das Kaufverhalten und die Einstellung zum Konsum in Richtung Nachhaltigkeit. Dies wird enorme Veränderungen für die Verpackung nach sich ziehen.
83 Prozent der Konsumenten sind bereit, mehr für einen Artikel mit einer nachhaltigen Verpackung zu bezahlen. In 2010 lag diese Zahl noch bei knapp 16 Prozent.
Kommentar und Ausblick: Der Trend ist bestätigt und wird weiter zunehmen. Angesichts schwindender Kaufkraft aufgrund der gestiegener Lebenshaltungskosten und starker Inflation gibt es jedoch die eine oder andere potenzielle Bremse. Das wird nichts an der mittel- und langfristigen Bedeutung des Nachhaltigkeitsthemas ändern. Es eröffnet aber Chancen, wenn andere kurzfristig zurückstecken.
Trend #2: Corona verändert das Kaufverhalten (Ausgelaufen. Neuer Trend: Inflation & Co.)
Die globale Gesundheitskrise hat Prozesse wie die Digitalisierung und die Entwicklung des E-Commerce beschleunigt. Die Verpackungsbranche muss mit diesen Entwicklungen Schritt halten.
Kommentar und Ausblick: Dieser Trend ist ausgelaufen und für 2023 kaum noch relevant. Die Veränderungen rund um Digitalisierung bleiben selbstverständlich von höchster Bedeutung (siehe Trend #9). Die Pandemie-Krise wird allerdings durch die Ukraine-Krise abgelöst. Energiekrise, verschärfte Inflation und Rezession sind die beherrschenden, neuen Themen.
Inflation
Die Inflation hat große Auswirkungen auf das Kaufverhalten
Das britische Marktforschungsunternehmen Global Data beobachtet beispielsweise eine Polarisierung des Kaufverhaltens der Konsumenten. Verbraucher geben demnach entweder
- weniger aus, indem sie insgesamt weniger kaufen,
- sparen Geld durch den Wechsel auf günstigere Produkte oder
- kaufen qualitativ hochwertigere Produkte, um ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis zu erzielen.
Polarisierung des Marktes
Diese divergierenden Reaktionen der Konsumenten führt nach Analyse von Global Data zu einer Polarisierung auf dem Markt. Marken vergrößern entweder die Packungsgrößen, um Großabnehmer anzusprechen, oder sie verkleinern die Packungen.
Der Schlüssel wird laut Global Data das Preis-Leistungs-Verhältnis sein. Es wird erwartet, dass sich Lösungen wie größere Packungsgrößen und wiederverwendbare Verpackungen durchsetzen werden.
Eigenmarkenprodukte
Als Folge eines geringeren verfügbaren Einkommens und insgesamt knapperen Budgets prognostiziert Global Data eine steigende Nachfrage nach Eigenmarkenprodukten. So gibt laut der Studie schon jetzt fast ein Drittel der Konsumenten weltweit an, dass sie in der Regel Molkereiprodukte unter Eigenmarken kaufen.
Verpackungsdesign und Kosten
Wenn hochpreisige Produkte Gefahr laufen, aus den Regalen zu verschwinden, weil Konsumenten zu Eigenmarken und billigeren Alternativen wechseln, hat das klare Auswirkungen auf das Verpackungsdesign und die Kosten.
Packungsgrößen
Auch zu den Packungsgrößen gibt es eine Prognose von Global Data: Sie besagt, dass Verpackungen mit einem Volumen von 3.001 bis 5.000 g/ml bis 2025 mit einer Rate von jährlich 4,3 Prozent stärker wachsen werden, als kleineren Packungsgrößen. Dessen ungeachtet gehen die Analysen davon aus, dass die kleineren Packungsgrößen den Markt für Konsumentenverpackungen insgesamt weiterhin dominieren werden.
Längerfristig wird von einer gleichzeitigen Zunahme kleiner und großer Packungsgrößen ausgegangen. Diese Polarisierung geht dann auf Kosten der mittelgroßen Standardpackungen.
Trend #3: Schwankende & Steigende Rohstoffpreise (Bestätigt und verstärkt)
Verpackungen haben häufig einen Rohstoffanteil von 50-70%. Durch die hohe Volatilität der Rohstoffpreise gibt es keine Kontinuität und Planungssicherheit für die Firmen. Das hieraus entstehende Risiko ist sehr groß.
Kommentar und Ausblick: Die Situation hat sich in diesem Jahr durch die hohe Inflation in Verbindung mit steigenden Energiekosten deutlich verschlechtert. Der Ausblick zeigt in Bezug auf die Energiekosten ein Level, das besorgniserregend für die Produktion sind.
Kunststoff – Stand September 2022
Eine aktuelle Umfrage der IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen e.V. unter ihren 300 Mitgliedsunternehmen zeigt,
- dass die hohen Energiekosten für jedes fünfte Unternehmen der Branche ein existenzgefährdendes Ausmaß angenommen haben. Die zumeist mittelständischen Hersteller von Kunststoffverpackungen und -folien in Deutschland sind, ähnlich wie viele andere energieintensive Branchen, geschockt von den dramatisch gestiegenen Strom- und Gaspreisen.
- Strom: Bislang konnten einige Unternehmen aufgrund laufender Verträge einen Kostenanstieg bisher. Im Branchen-Durchschnitt haben sich die Stromkosten seit Jahresbeginn jedoch verdoppelt. Einige Unternehmen sehen sich im Vergleich zum Jahresanfang sogar mit 300, 500 oder bis zu 750 Prozent höheren Strompreis konfrontiert.
- Erdgas: Hier ist die aktuelle Lage ähnlich. Es müssen bis zu 625 Prozent höhere Preise gezahlt werden als noch im Januar. Auch beim Erdgas hat sich der Preis im Branchen-Durchschnitt verdoppelt.
Papier – Stand Dezember 2022
54,3 % der deutschen Papierfabriken halten in absehbarer Zeit Kurzarbeit für möglich. Das hat eine Mitgliederbefragung des Branchenverbandes Die Papierindustrie ergeben. Der Grund: Viele Unternehmen können die explodierenden Energiekosten nicht mehr an die Kunden weitergeben. Ihnen bleibt im Zweifel nur noch die Drosselung der Produktion, so der Verband. Den Produktionsrückgang seit Mai 2022 beziffert man mit 12,5 Prozent.
Allgemein – 2023
Im kommenden Jahr wird sich die Lage weiter zuspitzen.
- 2023 wird beim Strom mit Erhöhungen von im Einzelfall bis zu 1.200 Prozent gerechnet, wobei ein durchschnittlicher Anstieg von circa 240 Prozent erwartet wird.
- Auch beim Erdgas erwarten die meisten Unternehmen mindestens eine Verdopplung. Auch hier gehen die höchsten Schätzungen im Einzelfall von einem Anstieg über 1.000 Prozent aus. Im Durchschnitt wird für 2023 derzeit ein Anstieg der Erdgaspreise um 250 Prozent prognostiziert.
Trend #4: Veränderte Investorenerwartungen (Bestätigt – wachsende Dynamik)
Über 90% der Investoren stufen belegbare Nachhaltigkeitsaktivitäten für ihre Investitions- und Anlageentscheidungen als wichtig ein.
Firmen, die nicht nachhaltig arbeiten, werden in Zukunft nur schwer an das Geld von Investoren kommen. Anleger erwarten mess- und kontrollierbare Fortschritte. Dies gilt für alle Branchen, aber besonders für die Verpackungsindustrie!
Kommentar und Ausblick: Dieser Trend bleibt weiterhin aktuell und wird in seiner Intensität weiter zunehmen.
Trend #5: Neue staatliche Vorschriften in den Bereichen Umwelt, Gesundheit und Sicherheit (Bestätigt)
Basierend auf der EU-Richtlinie zur CSR-Berichtspflicht sind die ersten Unternehmen ab 2024 zum Nachhaltigkeits-Reporting verpflichtet. In der ersten Stufe gilt dies für Unternehmen ab 250 Mitarbeitern oder mindestens 40 Millionen € Umsatz.
Viele Firmen sind nicht ausreichend vorbereitet und müssen mehr Geld in ihre Legal Teams investieren, um mit den neuen Entwicklungen Schritt zu halten.
Kommentar und Ausblick: Die Gesetzgebung läuft hinsichtlich Nachhaltigkeit ungebremst weiter. Nicht nur in Bezug auf das Thema Kreislaufwirtschaft, sondern auch hinsichtlich der Klimaneutralität. Die Gesetzgebung drängt vehement auf eine klimaneutrale Kreislaufwirtschaft.
Trend #6: Marken- und Konsumentenschutz (Bestätigt – Intensivierung)
Die Fälschungsindustrie wird immer professioneller. Um Wirtschaft und Verbraucher zu schützen, müssen mehr fälschungssichere Verpackungen entwickelt und eingesetzt werden.
Kommentar und Ausblick: Dieser Trend bleibt weiterhin aktuell und wird in seiner Intensität noch zunehmen.
Trend #7: Wachstum in Schwellenländern. (Bestätigt – Veränderungen)
Wenn sich die Märkte in Südamerika, Afrika und vor allem in Asien dem Pro-Kopf-Verbrauch von Verpackungen in Industrieländern annähern, wird der Verpackungsbedarf in diesen Regionen explodieren.
Kommentar und Ausblick: Dieser Trend bleibt weiterhin aktuell. Auch hier wird die Intensität zunehmen. Gleichzeitig gibt es gegenläufige Tendenzen, die als Bremser wirken. Dazu zählt die Deglobalisierung im Sinne reduzierter Abhängigkeiten und Abgrenzungen beispielsweise gegenüber Russland und China.
Aktuelle Daten zeigen für die kommenden Jahre ein besonders großes Mengenwachstum von primären FMCG-Verpackungen in Indien, Philippinen, Indonesien, Peru und Ägypten.
Trend #8: Kreislaufwirtschaft (Bestätigt – Intensivierung)
Als einflussreichste NGO in der Verpackungswelt setzt die Ellen MacArthur Foundation mit ihrer New Plastics Economy einen klaren Rahmen: Eine bis 2025 vollständige Umstellung auf recycelte oder kompostierbare Kunststoffe oder wiederverwendbare Systeme und Eliminierung von “Problemmaterialien” (z. B. PVC, EPS, PS). Mehr als 500 Unternehmen machen mit und verpflichten sich, darunter Big Player wie Nestlé oder Unilever.
Viele Markenartikler und Handel setzen bei ihren Verpackungsstrategien vermehrt auf Kreislaufwirtschaft. Die Verpackungsbranche steht im Zentrum der Kreislaufwirtschaft und deshalb vor radikalen Veränderungen.
Kommentar und Ausblick: Dieser Trend bleibt weiterhin und mit zunehmender Intensität aktuell. Klima wird zum dominantesten Nachhaltigkeits-Thema. Markenartikler setzen vermehrt auf das Thema Klimaneutralität und versuchen, ihren Packaging Carbon Footprint entsprechend zu reduzieren. CO2 entwickelt sich zu einer eigenen Währung in Bezug auf Produkte.
Trend #9: Digitalisierung (Bestätigt – Intensivierung)
Die Corona-Krise beschleunigt das Tempo der Digitalisierung in Deutschland entscheidend. Die Verpackungsbranche hängt immer noch hinterher und muss im Vergleich zu anderen Sektoren weiter aufholen.
80 Prozent der Führungskräfte aus der Verpackungsbranche glauben an Digitalisierung als Wachstumsmotor für Produktivität, Umsatz und Innovation. Nur 40 Prozent haben in KI-Technologie investiert.
Kommentar und Ausblick: Dieser Trend bleibt weiterhin aktuell und die Intensität wird zunehmen. Digitalisierung ist der Schlüssel zur Neukundengewinnung und ein wesentlicher Baustein der Geschäftsmodellerneuerung. Unser Artikel zu diesem Thema im B+P Newsletter 01/2022 empfehlen wir deshalb gerne erneut.
Trend #10: Marktkonsolidierung (Bestätigt – Intensivierung)
Über 100 Verpackungsunternehmen mit einem konsolidierten Umsatz von mehr als 10 Mrd. € werden jährlich in Europa verkauft und integriert.
Die Marktkonsolidierung schreitet in allen Verpackungssegmenten und Technologiebereichen weiter voran. Kleinere Unternehmen, die keine Nische finden, werden aufgekauft.
Kommentar und Ausblick: Dieser Trend bleibt weiterhin aktuell. Seine Intensität wird zunehmen. Differenzierung wird zum Schlüssel für Wachstum, insbesondere über Services.