Über viele Jahre hinweg basierte das Wachstum vieler Unternehmen der Verpackungsindustrie auf einem zentralen Prinzip: dem Wachsen mit bestehenden Schlüsselkunden. Aber das Zeitalter des berechenbaren Wachstums ist vorbei. Neue Zeiten sind angebrochen. Sie stehen unter den Vorzeichen von Unsicherheit und Stagnation. Entsprechend verändern sich die Spielregeln. Bevor wir im zweiten Artikel des Bereichs Geschäftsentwicklung auf die neuen Wege zu Wachstum eingehen, machen wir eine Standortbestimmung.
Das etablierte Wachstumsmodell
In einer Branchenumfrage von BP Consultants gaben 87 Prozent der Unternehmen bereits im Jahr 2021 an, dass die Entwicklung bestehender Kundenbeziehungen ihre wichtigste Wachstumsstrategie ist. Die wahrgenommene Unsicherheit mit Blick auf den Erfolg der Strategie war dabei sehr gering.
Der Grund für diese Dominanz war klar: Das Modell funktionierte. Vor allem im Key Account Management versprach die enge Zusammenarbeit mit wachsenden Kunden ein effizientes Mittel für eigenes, risikoarmes Wachstum. Kurzum: Wer seine bestehenden Kunden gut betreute, konnte mit ihnen wachsen. Und das ohne die hohen Kosten und Risiken, die mit der Gewinnung neuer Kunden oder Märkte einhergehen.
Neues Spiel mit neuen Faktoren
Doch dieses alte Fundament bröckelt zusehends. Die Spielregeln haben sich verändert. Heute sieht sich unsere Branche mit einer Vielzahl veränderter Herausforderungen konfrontiert. Dazu zählen
- weltwirtschaftliche Unsicherheiten und geopolitische Spannungen,
- volatile Rohstoffpreise und gestörte Lieferketten,
- zunehmende regulatorische Anforderungen und
- wachsende Konkurrenz – auch von außereuropäischen Marktteilnehmern.
Stagnation und Unsicherheit dominieren
Ein Blick auf den World Uncertainty Index oder den Global Economic Policy Uncertainty Index zeigt: Die Unsicherheit ist höher als während der Finanzkrise oder der COVID-19-Pandemie. Gleichzeitig stagniert das Wirtschaftswachstum in führenden Industrienationen, wie die CAGR-Zahlen der vergangenen 15 Jahr auf Basis von World Bank Group zeigen:
- Deutschland: +1,2 % (zwischen 2019-2024 aber bei +0,1%)
- Frankreich: +0,3 %
- Vereinigtes Königreich: +1,0 %
- Italien und Spanien: leicht rückläufig
Selbst in Märkten wie China und den USA, die einst als Wachstumsgaranten galten, ist stabiles Wachstum in Hinblick auf die angespannte geopolitische Lage heute keine Selbstverständlichkeit mehr.
Kernsegmente verlieren an Wachstumsdynamik
Besonders deutlich wird die veränderte Lage in den wichtigsten Absatzmärkten für Verpackung wie etwa dem Lebensmitteleinzelhandel. Das verdeutlichen Zahlen des Statistischen Bundesamts (2025) und von GlobalData (2025).
- Die realen Umsätze im deutschen Lebensmitteleinzelhandel sind seit Jahren stagnierend und liegen inzwischen nur knapp auf dem Niveau von 2015.
- Damit verliert ein zentraler Wachstumstreiber der Verpackungsindustrie an Kraft.
In einem solchen Umfeld geraten selbst gut gepflegte Kundenbeziehungen an ihre Wachstumsgrenzen.
Riskantes Festhalten am Status quo
Die Konsequenzen sind offensichtlich: Das Festhalten an stagnierenden Kundenportfolios ist eine risikobehaftete Strategie. Ungeachtet dessen zeigen Branchendaten eine starke Abhängigkeit vom herkömmlichen Modell. Die bereits erwähnten Ergebnisse unserer Branchenbefragung (2021) zeigen:
- 87 Prozent der Unternehmen setzen auf die Entwicklung bestehender Kundenbeziehungen.
- Rund 79 Prozent bewerten die Neukundengewinnung in bestehenden Märkten zwar als strategisch relevant, verbinden diese jedoch mit fünfmal höherer Unsicherheit.
- Die größte Unsicherheit wird in der Erschließung neuer Branchen gesehen. Hier ist das wahrgenommene Risiko im Vergleich zur Entwicklung bestehender Kunden um den Faktor 20 höher.
Die Zahlen verdeutlichen: Die Branche zögert, neue Wege zu gehen. Das ist gefährlich. Denn der Handlungsspielraum innerhalb des traditionellen Modells wird zunehmend kleiner.
Blick voraus: Vom Farmer zum Hunter
- Beim klassischen „Farmer-Modell“ werden bestehende Kundenbeziehungen kontinuierlich gepflegt und weiterentwickelt. In einem stagnierenden Marktumfeld gerät diese Entwicklung ins Stocken – und führt typischerweise nur zu geringem Wachstum, das oft im Bereich von 0–1 Prozent CAGR liegt.
- Im Gegensatz dazu erzielen „Hunter-Modelle“, bei denen sich Unternehmen aktiv auf Neukundengewinnung fokussieren, oft deutlich höhere Wachstumsraten. Diese können im Bereich von +4 – 5 Prozent CAGR liegen.
Voraussetzung dafür sind jedoch eine veränderte Herangehensweise, neue Kompetenzen und eine strategische Marktorientierung. Wie dieser Wandel konkret aussieht und gelingt, behandeln wir ausführlich im nächsten Artikel.
Zwischenfazit: Die Branche steht am Wendepunkt
Die Verpackungsindustrie steht an einem strategischen Scheideweg. In Zeiten wirtschaftlicher Stagnation und globaler Unsicherheit verliert das alte Wachstumsmodell seine Wirkungskraft. Wer weiterhin alles auf Bestandskunden setzt, riskiert damit, mittelfristig an Dynamik zu verlieren. Gleichzeitig gilt: Wer sich jetzt neu ausrichtet, kann Marktanteile gewinnen – selbst in einem herausfordernden Umfeld.
Erfahren Sie im Artikel “Erfolgsfaktoren für die Neukundengewinnung: Vom Farmer zum Hunter” wie Unternehmen durch gezielte Neukundengewinnung neues Wachstum erschließen und welche Erfolgsfaktoren dafür entscheidend sind.