Die EU-Kommission wollte anscheinend vor dem Jahresende die Schreibtische leerräumen und hat allein in der Woche vom 22.11. bis zum 07.12. 2022 fünf Schwergewichte an Gesetzen entweder final erlassen oder als Entwurf vorgelegt. In unserem Jahresendpost werfen wir ein Blick auf das, was uns in 2023 beschäftigen wird. Auf was müssen wir jetzt achten? Und vor allem: Wie können agile Unternehmen die neuen Chancen nutzen, die sich ergeben. Im Detail berichten wir unter anderem über Teil 2 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (Green Claims, Biokunststoffe und Mikroplastik, nachhaltiger Konsum von Waren etc.), die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die neuen Packaging and Packaging Waste Regulation, den Einwegkunststofffond und die Deforestation Regulation.
Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)
Der Entwurf der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) wurde am 10.11.2022 vom Europa-Parlament und am 28.11.2022 vom Council gebilligt. Damit ist die neue ESG-Berichtspflicht verabschiedet.
Gestaffeltes Inkrafttreten der Regelungen
Die Regelungen der Richtlinie werden gestaffelt zwischen 2024 und 2026 in Kraft treten:
- ab 1. Januar 2024 für große Unternehmen von öffentlichem Interesse (mit mehr als 500 Beschäftigten), die bereits jetzt der Non-Financial Reporting Directive (NFRD) unterliegen, wobei die Berichte im Jahr 2025 zu erstellen sind;
- ab 1. Januar 2025 für große Unternehmen, die derzeit nicht der NFRD unterliegen (mit mehr als 250 Mitarbeitern und/oder einem Umsatz von 40 Millionen Euro und/oder einer Bilanzsumme von 20 Millionen Euro), mit einer Berichtspflicht bis 2026 und
- ab 1. Januar 2026 für börsennotierte KMU und andere Unternehmen, deren Berichte 2027 zu erstellen sind. KMU können sich bis 2028 von der Verpflichtung befreien lassen.
Hintergrund
Die Vorschriften der CSRD sollen Unzulänglichkeiten in den bestehenden Rechtsvorschriften über die Offenlegung nichtfinanzieller Informationen (Non-Financial Reporting Directive – NFRD) beheben. Sie wurden als unzureichend und unzuverlässig angesehen.
Stattdessen sollen mit der CSRD detailliertere Anforderungen an die Berichterstattung über die Auswirkungen der Unternehmen auf die Umwelt, die Menschenrechte und die Sozialstandards eingeführt werden. Dazu werden auch die Kriterien abgefragt, die auf der EU Taxonomie und den Klimazielen der Europäischen Union beruhen. Zugleich geht es den Regulierern darum, dem Greenwashing ein Ende zu bereiten.
CSRD Berichtstandards
Auch die CSRD Berichtstandards liegen vor. Sie sollen die Grundlage der künftigen Berichterstattung bilden und sind ein Potpourri aus den schon bekannten Indikatoren von GRI (Global Reporting Initiative), TFCD/EU Taxonomie Kriterien, Carbon Disclosure Projects (CDP) und teilweise EcoVadis (Nachhaltigkeits-Rating).
Die Europäische Kommission wird den ersten Satz von Berichtsstandards bis Juni 2023 annehmen. Für alle Unternehmen ist jetzt die Zeit gekommen, eine Daten GAP-Analyse zu machen und eine Roadmap aufzustellen, um ab 2024 berichtsfähig zu sein.
Kreislaufwirtschaftsgesetz – Teil 2
Am 30. November 2022 veröffentlichte die EU Kommission den zweiten Teil des Kreislaufwirtschaftspaketes. Der Inhalt hat es in sich – von „Green Claims“ über Biokunststoffe und Mikroplastik bis hin zum nachhaltigen Konsum von Waren (Recht auf Reparatur) und mehr.
So umfasst der zweite Teil des Pakets zur Kreislaufwirtschaft z.B. die folgenden Initiativen:
- Richtlinie über Verpackungsabfälle (PPWD; siehe den folgenden Artikel).
- einen Vorschlag für eine Verordnung zur Begründung von Umweltaussagen mit Hilfe der Methoden des ökologischen Fußabdrucks von Produkten und Organisationen (Green Claims; siehe B+P Newsletter vom Mai 2022)
- eine Mitteilung für einen politischen Rahmen für biobasierte, biologisch abbaubare und kompostierbare Kunststoffe
- einen Vorschlag für Maßnahmen zur Verringerung der Freisetzung von Mikroplastik in der Umwelt
- eine Initiative zum nachhaltigen Konsum von Gütern zur Förderung von Reparatur und Wiederverwendung
Lieferkettengesetz
Das erste Jahr des Inkrafttretens des Lieferkettengesetzes rückt näher. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) hat die ersten Handreichungen zur Implementierung veröffentlicht. Sie beinhaltet Informationen zur Durchführung einer Risikoanalyse im Sinne des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG).
Einwegkunststofffond
Am 3. November 2022 hat die Bundesregierung den Einwegkunststofffonds beschlossen. Die Abgabe soll von Herstellern ab Frühjahr 2025 gezahlt werden. Als Basis und Berechnungsgrundlage ist die im Kalenderjahr 2024 in Verkehr gebrachte Produktmenge vorgesehen.
Politikdschungel 2023: Viel Schatten und für agile Unternehmen auch viel Licht
Sie werden feststellen, dass es an der Politikfront auch im neuen Jahr sicher nicht langweilig wird. Neue bürokratische Monster werden den Raum bevölkern, aber auch neue Chancen für schnelle und agil reagierende Unternehmen. Als B+P Consultants unterstützen wir unsere Kunden aus der Verpackungsbranche auf ihrer Reise durch diese politischen Untiefen, damit sie ihre Chancen finden und nutzen können.
Exkurs: There is no silver bullet
Als ich vor 15 Jahren als Neuling in die Nachhaltigkeitswelt eingestiegen bin, waren freiwillige Verpflichtungen und Nachhaltigkeitsstandards als DAS Lösungstool (Silver Bullet) angesagt. Irgendwann hat sich die Euphorie verflüchtigt.
Wir alle wissen, dass es die „Silver Bullet“ zur Lösung unserer Probleme nicht gibt und die Rufe nach rechtlichen Rahmenbedingungen einem „Level Playing Field“ sind immer lauter geworden.
Besonders bei uns in Europa hat man inzwischen das Gefühl, dass die Politik nach langem Nichthinhören sich jetzt mit voller Wucht auf das Feld der Nachhaltigkeit stürzt. Schon in 2022 hatte ich das Gefühl, ich brauche eine ganze Wand voller Flipcharts, um alle europäischen und teilweise auch außereuropäischen Gesetzesinitiativen, Entwürfen und Entscheidungen im Nachhaltigkeitsbereich und der Kreislaufwirtschaft im Überblick zu behalten. In 2023 werde ich wohl einen ganzen Raum brauchen.
Unsere Fokus-Themen für 2023:
- Packaging and Packaging Waste: Ehemals eine „Directive“, wurde aus der Richtlinie über Verpackungsabfälle in der Revision eine Verordnung (Regulation). Das neue „R“ in PPWR bedeutet, dass die Inhalte umgehend 1 zu 1 in den Mitgliedstaaten umgesetzt werden müssen, ohne den Umweg der Übersetzung ins nationale Recht.
- Was bis zum Redaktionsschluss dieses Newsletters aus geleakten Dokumenten zur Revision durchgesickert ist, klingt äußerst herausfordernd für die Verpackungsindustrie und wird 2023 zu spannenden Diskussionen außerhalb und innerhalb der Unternehmen führen.
- Massive Risiken aber auch Chancen sehen wir vor allem in den möglichen Rezyklatquoten und Recyclingvorgaben.
- In einem Joint Statement haben zahlreiche Verbände und Organisationen der Verpackungswirtschaft ihre Bedenken zu Inhalten der neuen PPWR zum Ausdruck gebracht.
- Einwegkunststofffond: Für Unternehmen der Kunststoffverpackung werden natürlich auch Reglungen zur Einrichtung des Einwegkunststofffonds von großem Interesse sein. Das Gesetz bietet einen weiteren Anstoß, sich intensiv mit seinen Produkten und dem End-of Life dieser auseinanderzusetzen. Die Abgaben werden – wie oben kurz berichtet – ab 2025 auf der Grundlage der 2024 in Verkehr gebrachten Volumina bei den Produzenten eingesammelt.
- CSRD, Nachhaltigkeitsberichterstattung, Nachhaltigkeitsmanagement: Durch die Verabschiedung der CSRD am 28.11.2022 (siehe oben) ist für unsere Branche überspitzt gesagt der Zeitpunkt gekommen, aus dem Nachhaltigkeits-Hobby einen professionellen Job zu machen.
- Unternehmen sollten die nächsten Jahre nutzen, um ein professionelles und effizientes Nachhaltigkeitsmanagement aufzubauen bzw. auszubauen. Denn das Nachhaltigkeitsmanagement ist letztlich eine Formalisierung der Nachhaltigkeitsberichterstattung.
- Das reine Reporting bringt Unternehmen nur dann einen Mehrwert, wenn es dazu genutzt wird, Stärken und Schwächen zu identifizieren und zu bearbeiten. Nicht zuletzt mit dem Ziel, das Unternehmen enkelfähig aufzustellen (siehe B+P Newsletter vom September 2022).
- Wie weiter oben bereits erwähnt, sind die Entwürfe der CSRD Berichtstandards ein Potpourri aus den schon bekannten Indikatoren (GRI, TFCD/EU Taxonomie, CDP etc.). Wer jetzt eine Daten-GAP-Analyse macht und eine Roadmap aufstellt, um ab 2024 berichtsfähig zu sein, verbessert als Win-Win gleich sein EcoVadis Ranking!
- Green Claim Initiative: Es wird spannend sein, auf die finalen Regelungen der Green Claim Regulierung zu schauen. Wie sind sie zu verstehen und anzuwenden? Was ist der rechtskonforme Ansatz zur Berechnung eines Produkt Carbon Footprint. Das alles sind Fragen, die uns 2023 beschäftigen werden.
- Lieferkettengesetzgebung: Wie oben erwähnt, tritt das Deutsche Lieferkettengesetz ab 1. Januar in Kraft. Auch wenn es erst einmal nur für sehr große Unternehmen ab 3.000 Mitarbeiter gilt, merken wir in der Lieferkette schon jetzt, dass dadurch natürlich auch andere Unternehmen indirekt betroffen Da die EU auf diesem Feld sehr eifrig zur Sache geht, gehen wir davon aus, dass in 2023
- ein Import-Bann für Rohstoffe und Produkte aus Regionen und Ländern mit Zwangsarbeit, Kinderarbeit und Entwaldung verabschiedet wird und
- der Human Rights Due Diligence Act verabschiedet wird. Im Vergleich zu den Anforderungen im HRDD ACT ist das Lieferkettengesetz eine nette kleine Vorbereitung.
- Deforestation Regulation: Besonders für Unternehmen aus dem Karton-Bereich ist auch die Verabschiedung der Deforestation Regulation von Interesse. Mit Hinblick auf das Thema Entwaldung werden hier neue Bestimmungen und Due Diligence Kriterien für die Lieferkette von Pulp & Paper formuliert.
- Klimawandel: Das Big Picture zum Schluss. Denn bei allen aktuellen Krisen dürfen wir den Klimawandel als die grundlegendste und am Ende für uns alle existenzielle Krise nicht vergessen. Entsprechend können wir es uns nicht leisten, in unseren Bemühungen zur Dekarbonisierung nachzulassen.
- Bei der COP27 in Sharm-El-Sheik (siehe auch den Jahresausblick im Bereich Nachhaltigkeit dieses Newsletters) hat sich gezeigt, dass die Politik global nicht handlungsfähig ist. Gerade deshalb liegt es nun umso mehr an der EU und den Unternehmen. Sie müssen zeigen, dass ein Umbau der Wirtschaft doch möglich ist.
- Klimastrategien, Definition und Umsetzung von neuen Businessmodellen, Weiterentwicklung und Schließung von Kreisläufen, Design für Recycling und neue Mehrwegmodelle: Sie alle zeigen den Weg auf in eine resilientere und klimafreundlichere Zukunft. Genau das wird 2023 weiter im Fokus stehen.