Fakten-Check Recycling und Rezyklat: Quoten, Kapazitäten, Verfahren

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Im dritten Beitrag zur Reihe der Ellen MacArthur Foundation (EMF) untersuchen wir für Sie das Thema „Recycling und Rezyklateinsatz in der Praxis“. Welche Vorgaben gibt es? Welche Ziele sollen erreicht werden? Wo stehen wir real? Wir analysieren für Sie die Situation bei den Recyclingquoten, bei den Recyclingkapazitäten, bei der Rezyklatproduktion und beim Einsatz von Rezyklaten in neuen Verpackungen. Und wir beleuchten die Rolle des sogenannten „Chemischen Recyclings“, das im Gesamtkomplex des Themas einen Knackpunkt darstellt.

 

Am 14. Juli 2021 hat die EU-Kommission konkrete Vorschläge für eine neue Klima-, Energie-, Verkehrs- und Steuerpolitik vorgelegt. Das als „Green Deal“ bekannte Paket bezeichnet die Kreislaufwirtschaft als Top-1-Priorität der Maßnahmen.

In Bezug auf die Themen Recycling und Rezyklateinsatz für Kunststoffe gibt es bei der Etablierung von Kreislaufwirtschaft zwei übergeordnete Ziele:

  1. Die Erhöhung der Recyclingquote
  2. Die Erhöhung der eingesetzten Rezyklatmenge

 

Ziele und Stand bei den Recyclingquoten

  • Eine erste Richtschnur bietet die Erfüllung der Vorgabe für die Recyclingquote für Kunststoffabfälle, wie sie in der europäischen Richtlinie über Verpackungen und Verpackungsabfälle festgelegt wurde. Das Ziel sind 50 Prozent bis 2025 bzw. 55 Prozent bis 2030. Im Jahr 2018 lag die Quote der recycelten Kunststoffabfälle in der EU im Durchschnitt bei geschätzten 42 Prozent.
  • Zusätzlich kommen in Deutschland die Vorgaben des Verpackungsgesetzes (VerpackG) ins Spiel. Sie sind noch deutlich ambitionierter und fordern seit 2019 eine Recyclingquote für Kunststoffverpackungen von 58,5 Prozent. Diese Vorgabe wurde 2019 mit einer Punktlandung erfüllt. Ab 2022 steigt die geforderte Quote jedoch auf 63 Prozent.

 

Ziele und Stand bei den Recyclingkapazitäten

  • Die EU 28+ (also inklusive Norwegen und Schweiz) verfügte im Jahr 2019 über eine Gesamtrecyclingkapazität von mehr als 8,5 Millionen Tonnen für alle Polymere. Die Anteile der recycelten Polymere verteilten sich wie folgt:
    • PET rund 30 Prozent
    • LDPE 29 Prozent
    • HDPE/PP 20 Prozent
    • PVC 10 Prozent
    • PS 0,5 Prozent
  • 67 Prozent der gesamten Recyclingkapazitäten entfielen auf fünf Länder der EU.
  • Deutschland steht alleine für 1,9 Millionen Tonnen der europäischen Recyclingkapazitäten. Das sind 22,4 Prozent und damit fast ein Viertel der EU-Gesamtkapazitäten.

 

Ziele und Stand bei Rezyklatproduktion

  • Die Ziele der Ellen MacArthur Foundation (EMF) bemessen sich in der Produktion von recyceltem Kunststoff. Bis 2025 soll die Produktion von recyceltem Kunststoff auf ein Gesamtvolumen von 3,7 Millionen Tonnen ausgebaut werden. Im Jahr 2020 lag die Recyclingkapazität der Unterzeichner laut dem Progress-Report der EMF bereits bei einem Volumen von 1,1 Millionen Tonnen. Das entspricht einem Wachstum von 28 Prozent im Vergleich zu 2018.
  • Die Erhöhung der eingesetzten Rezyklatmengen soll durch einen Ausbau der Recyclingkapazitäten und eine stärkere Nutzung der Rezyklate in neuen Verpackungen erreicht werden.
  • In Deutschland wurden 2019 annähernd 2 Millionen Tonnen Rezyklat gewonnen und inländisch zur Herstellung von Kunststoffprodukten eingesetzt.

 

Ziele und Stand beim Rezyklateinsatz

  • Der Anteil von Rezyklat aus Post-Consumer-Abfällen (PCR), der hierzulande in neue Kunststoffverpackungen geht, lag 2019 bei gut 10 Prozent bzw. einer Menge von 0,5 Millionen Tonnen.
  • Die EMF verfolgt das Ziel eines Rezyklatanteils von 25 Prozent in Kunststoffverpackungen bis 2025. 2019 lag der Anteil bei 6,2 Prozent. Das ist in absoluten Zahlen noch ein großer Abstand, entspricht jedoch einem Wachstum von 22 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
  • PET-Getränkeflaschen müssen nach EU-Recht ab 2025 zu 25 % aus Rezyklaten bestehen.
  • Die EU-Kommission hat angekündigt, bis Ende 2021 bzw. Anfang 2022 im Rahmen der European Packaging Directive einen Vorschlag für Richtlinien zum Rezyklateinsatz vorzulegen. Zu den Zielen der neuen Richtlinie gehört, bis 2030 alle Verpackungen in der EU recycelbar zu machen und eine verbindliche Verwendungsquote für Rezyklate in Kunststoffverpackungen einzuführen.

 

Nachfragesicherheit gewährleisten

Um die für die Industrie so wichtige Sicherheit bei der Nachfrage von Rezyklat zu gewährleisten, müssen nach Ansicht von PlasticsEurope, als einem der führenden Vertreter der europäischen Kunststoffindustrie, die Quoten für den Rezyklatanteil in Verpackungen erhöht werden. Die Organisation befürwortet entsprechend in einer aktuellen Veröffentlichung vom September 2021 eine Überarbeitung der EU-Richtlinie über Verpackungen und Verpackungsabfälle und fordert als konkretes neues Ziel einen Rezyklatanteil von 30 Prozent bei Verpackungen bis 2030

 

Knackpunkt: Chemisches Recycling

Um den Rezyklatanteil entsprechend erhöhen zu können, müssen naturgemäß zuerst die Recyclingkapazitäten hochgefahren werden. Nur so lässt sich die Kreislaufführung von Kunststoffen steigern. Erreichen lässt sich das nur über eine Ergänzung der werkstofflichen Verfahren durch alternative Ansätze sowie die Kombination aus werkstofflichen und chemischen Verfahren.

Das Problem bei den mechanischen Recyclingverfahren: Hier klemmt der Aufbau von Kapazitäten. Das liegt an erster Stelle an dem mangelhaften Zusammenspiel der EU-Kommission und der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bei der Novelle der Verordnung 282/2008 und der daraus resultierenden Rechtsunsicherheit.

Abhilfe könnte das sogenannte „Chemische Recycling“ schaffen. Hier laufen aktuell zahlreiche Entwicklungsprojekte. So haben im Mai 2021 diverse Kunststofferzeuger Milliardeninvestition angekündigt. Diese sollen von 2,6 Milliarden Euro im Jahr 2025 auf 7,2 Milliarden Euro im Jahr 2030 steigen. Dadurch sollen bis 2025 1,2 Millionen Tonnen Rezyklat gewonnen werden. Bis 2030 soll die Menge auf 3,4 Millionen Tonnen ansteigen. Von der bis 2030 versprochenen Menge von 3,4 Millionen Tonnen sind bereits 3 Millionen Tonnen in der konkreten Planung.

Für die kommenden Jahre ist zu erwarten, dass der Anteil der am Markt verfügbaren Verfahren und damit der Anteil der chemisch recycelten Kunststoffabfälle weiter steigen wird.

Der Haken: Aktuell dürfen Rezyklatmengen aus dem chemischen Recycling noch nicht auf die Recyclingquote angerechnet werden. Aber es gibt Bewegung: Das Umweltbundesamt (UBA) hat in einem Positionspapier das Lösemittelverfahren bereits den werkstofflichen Verfahren zugeordnet, was eine Anrechnung ermöglichen würde.

 

Fazit

Die Fakten zeigen drei Dinge ganz deutlich:

  1. Eine Erhöhung der Recyclingkapazitäten und der entsprechenden Infrastruktur sind dringend erforderlich.
  2. Ein Markt mit sicherem Angebot und Nachfrage lässt sich nur über eine Rezyklat-Einsatzquote gewährleisten. Anders können wir die ambitionierten Recyclingziele in Europa nicht erreichen.
  3. Die Erhöhung von Recyclingkapazitäten, Recyclingquote und der eingesetzten Rezyklatmengen müssen Hand in Hand gehen.

Mit Blick auf das „Chemische Recycling“ bleibt zu hoffen, dass die EU-Kommission nur diejenigen Verfahren berücksichtigt, die eine relevante ökologische Vorteilhaftigkeit im Vergleich zum Einsatz von Neuware aka Virgin Plastic erbringen.


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