Preiskampf und Zukunftssorgen bei Rezyklat

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Eigentlich waren sich doch alle einig: Kunststoff hat als Packstoff nur dann eine Zukunft, wenn es gelingt, die Kreisläufe zu schließen. Die zunehmende Produktion und der steigende Einsatz von Rezyklat ist dafür unerlässlich. Und auch die europäischen Regulierer messen dem Rezyklateinsatz in der neuen PPWR eine zentrale Rolle bei. In der Realität aber sieht es aktuell ganz anders aus. Einer der Gründe für die geringe Nachfrage ist der Preiskampf zwischen Rezyklat und Neuware. Wir beleuchten für Sie die Situation, lassen Stakeholder zu Wort kommen und geben einen Ausblick.

 

Die Situation rund um das Kunststoffrecycling ist unbefriedigend. Darauf können sich die meisten Marktteilnehmer einigen. Uneinigkeit besteht allerdings, wenn man nach den Gründen fragt.

 

PET: Der Markt hat gedreht

Das Problem von R-PET sind die relativ hohen Kosten. Neuware ist schlicht günstiger und verdrängt Rezyklate deshalb nach Aussage des bvse-Fachverband Kunststoffrecycling auf allen Ebenen. Rezyklathersteller können darauf jedoch nur bedingt reagieren, da sie höhere Prozesskosten beispielsweise für Energie und Transport schultern müssen.

Wie sehr sich die Situation verändert und verschärft hat, zeigt sich beispielsweise im Bereich des PET-Recyclings, das früher als Vorbild angesehen wurde. Dabei ist es gerade einmal ein Jahr her, dass PET-Rezyklat für 2.700 Euro je Tonnen gehandelt wurde, während Neuware für 1.700 Euro zu haben war. Trotzdem war der Markt praktisch leergefegt und alles war auf der Suche nach R-PET. Diese Situation hat sich komplett gedreht – mit Folgen für die Recycler.

 

Recycler unter Druck

Timothy Glaz, Head of Corporate Affairs bei Werner & Mertz weist auf die bedrohliche Lage für die Recycler hin. Er spricht von einer erschreckenden Lage und einem brutalen Preiskampf zwischen Neuware und Kunststoffrezyklaten, der sich negativ auf die gesamte Recyclingbranche auswirkt.

Im Juni erklärte der bvse im Rahmen des 25. Internationalen Altkunststofftags in Dresden, dass der Markt für Altkunststoffe und PET-Rezyklate in einer tiefen Krise steckt. Die geringe Nachfrage führt zu Einschränkungen oder gar Stilllegungen der Produktion, während die Lagerbestände gleichzeitig kontinuierlich wachsen. Ein wirtschaftlicher Betrieb von Recyclinganlagen sei unter diesen Umständen unmöglich und gefährde auf Dauer das gesamte Recycling. Denn einmal stillgelegte Anlagen können nicht innerhalb kurzer Zeit wieder hochgefahren oder betrieben werden. Erste Werksschließungen sind bereits erfolgt.

 

Beispiel Veolia

So hat die Veolia PET Germany GmbH z.B. auf die seit längerem anhaltenden Schwäche des PET-Recyclingmarktes reagiert. Das Unternehmen schließt aufgrund der fehlenden langfristigen Absicherung des Produktionsstandortes das PET-Recycling in Rostock zum 31. Dezember 2023 nach über 20 Jahren.

 

Die Schuldfrage

Der bvse-Fachverband Kunststoffrecycling sieht vor allem die kunststoffverarbeitende Industrie in der Pflicht. Sie setzte massiv auf Billigware mit großem CO2 Rucksack, schien die klimafreundlichen Rezyklate zu ignorieren und kam ihrer Produktverantwortung nicht nach. Einige PET-Verarbeiter gingen sogar so weit, komplett auf Neuware zu setzen und Rezyklate auszulisten. Entsprechend appelliert der Verband an die Beteiligten der Kunststoff-Wertstoffkette, sich endlich ihrer Verantwortung zu stellen. Klimafreundliche Rezyklate zu ignorieren sei scheinheilig und kurzsichtig.

Neben den PET-Verarbeitern dürften sich aber vor allem auch die Produkthersteller angesprochen fühlen. So zeigen die Zahlen des Fortschrittsberichts 2022 der Ellen MacArthur Foundation, dass die Unternehmen ihrer Selbstverpflichtung im Bereich „Einsatz von PCR“ nicht im erforderlichen Maß nachkommen.

 

Einordnung und Ausblick

Wie eingangs erwähnt, hat Kunststoff im Verpackungsbereich nur dann eine Zukunft, wenn es gelingt, die Kreisläufe zu schließen. Dabei spielt der Rezyklateinsatz die zentrale Rolle. Unternehmen müssen sich im Klaren darüber sein, dass ein Umstieg von Neuware auf Rezyklate nicht nur ökologisch erforderlich, sondern langfristig auch ökonomisch sinnvoll ist. Speziell mit Blick auf die verpflichtenden Rezyklateinsatzquoten der neuen Packaging and Packaging Waste Regulation (PPWR) ist ein Festhalten am Primat von Neuware keine Option.

Auch wenn es erst einmal wehtut: Der aktuelle Kostenvorteil muss einem langfristigen Engagement in Richtung Kreislaufwirtschaft und Klimaschutz Platz machen.

Mut macht in dieser Situation ein gemeinsames Leitbild des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft e.V. (BDE), PlasticsEurope Deutschland e.V. und des Verbands der Chemischen Industrie (VCI) vom 30.08.2023 mit dem Titel „Kunststoffkreisläufe intelligent schließen“. Die drei Organisationen wollen die Kreislaufwirtschaft partnerschaftlich voranbringen und listen eine ganze Reihe von Handlungsempfehlungen, deren erster Adressat die Politik ist. Marktwirtschaft allein kann die Problematik nach Ansicht der Verbände nicht lösen. Unterstützende regulatorische Rahmenbedingungen seien zwingend erforderlich.


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