Alternative Fasern aus einjährigen Pflanzen: Aus der Nische zum Trend?

Image Source: pixabay | reinerh11

Faserbasierte Packstoffe liegen im Trend und ein Ende ist nicht abzusehen, im Gegenteil. Treiber der Entwicklung sind neben dem Druck der Regulierer auf Kunststoff vor allem ihr Ruf als Nachhaltigkeits-Champion bei Konsumierenden und nicht zuletzt die europaweit etablierte Sammel- und Recyclingstruktur. Folge des Ruhms: Das Holz wird knapp und ruft erneut besorgte NGO und Regulierer auf den Plan. Einen Ausweg versprechen alternative Fasern aus einjährigen Pflanzen. Wir blicken für Sie auf den Markt, zeigen Beispiele und treffen ein Urteil.

 

Was für faserbasierte Rohstoffe bei Verpackungen spricht

Es gibt seit längerem einen grundsätzlichen Trend zu Lösungen aus Papier, Pappe und Karton (Paperisation), über den wir in unseren Newslettern schon früh und wiederholt berichtet haben. Dabei lassen sich drei hauptsächliche Treiber ausmachen, die für das kontinuierliche und dynamische Wachstum faserhaltiger Verpackungs-Rohstoffe stehen.

  1. Europäische und nationale Regulierungen wie die Packaging and Packaging Waste Regulation (PPWR), die Single Use Plastic Directive (SUPD oder die sogenannte „Plastiksteuer“. Sie führen zu einer direkten oder indirekten Bevorzugung von nicht-kunststoffbasierten Verpackungen.
  2. Der „gute Ruf“ von Verpackungen aus Papier bei den Konsumierenden. Die Zahl der Umfragen, in denen Papierverpackungen als besonders nachhaltig angesehen werden, ist Legion.
  3. Und nicht zuletzt die europaweite existierende und vergleichsweise gut funktionierende Sammel- und Recycling-Infrastruktur für Altpapier. Hier werden bedeutende Vorteilen gegenüber vielen Wettbewerbsmaterialien ausgespielt.

 

Starkes Mengenwachstum ist die Folge

Bei BP Consultants gehen wir davon aus, dass alleine in Europa 2022 rund 48 Millionen Tonnen faserhaltige Rohstoffe für Verpackungen eingesetzt wurden. Wir prognostizieren ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 4 Prozent, was auf rund 80 Millionen Tonnen im Jahr 2035 hinausläuft. Das ist viel Holz! Im wahrsten Sinne des Wortes.

 

NGO und Regulierer reagieren

Das starke und ungebremste Wachstum führt zu einem weiter steigenden Bedarf an Holz, das selbst als natürliche und nachwachsende Ressource nicht unbegrenzt zur Verfügung steht. Flächenverbrauch, Einsatz von Energie und schweren Maschinen oder die Angst vor Biodiversitäts-Verlusten sind belastende Faktoren, auf die vermehrt in den Blick rücken.

So zeigt sich beispielsweise der WWF besorgt, dass der Papier- und Pappe-Sektor heute bereits etwa 40 Prozent des industriellen geernteten Holzes verantwortet. Verpackungen verursachen laut WWF global bereits 60 Prozent des gesamten Papierverbrauchs – bei weiter dramatisch steigenden Gesamtzahlen.

Dieser Umstand ruft verständlicherweise auch die Regulierer auf den Plan. Die Europäische Union will mit ihrer EU Deforestation Regulation („EUDR“) gegenhalten und zumindest sicherstellen, dass Verpackungen, die Frischfaser beinhalten wie beispielsweise Faltschachteln, zumindest „nachhaltig“ produziert werden und aus sauberen Lieferketten stammen.

 

Alternative Fasern als Ausweg

Mehr und mehr Produzenten faserbasierter Rohstoffe für Verpackungen beschäftigen sich deshalb erfreulicherweise mit dem Thema alternativer Faserquellen. Das entsprechende Interesse zeigt sich auch auf Nachfrageseite.

Der Weg scheint vorgezeichnet und das Thema wird in der Start-up Szene für 2025 bereits als Top-Trend ausgemacht. Auch die Confederation of European Paper Industries (CEPI) spricht von einer steigenden Bedeutung, die allerdings von einem niedrigen Niveau ausgeht. So hatten alternativen Fasern 2022 CEPI-Angaben zufolge nur einen Anteil von 0,3 Prozent am Gesamtfaseraufkommen gehabt.

Eine im CEPI-Auftrag erarbeitete Studie des nova-Instituts aus dem gleichen Jahr kam gleichzeitig zu dem Ergebnis, dass bereits 33 Produzenten in Europa das Material einsetzen. Der Fokus lag dabei klar auf dem Verpackungsbereich. Die entsprechenden Papier-, Karton- und Wellpappe-Anwendungen beinhalteten zwischen 10 und 50 Prozent alternative Fasern in Bezug auf das Fasergesamtaufkommen.

 

Welche Pflanze darf es sein?

Als Rohstofflieferant für die alternativen, nicht-Holz-basierten Fasern rücken einjährige Pflanzen in den Mittelpunkt. Im besten Fall sind sie regional anbaubar und benötigen kaum oder wenig Dünger und Pflege.

Welches konkrete Material zukünftig das Rennen machen wird, ist aktuell noch völlig unklar. Vom mehrjährigen Gras (aktueller über einjährige Lieferanten wie Hanf, Silphie, Weizen (Stroh) oder Rüben (Schnitzeln) gibt es eine ganze Reihe von Kandidaten. (Zu Gras findet sich ein aktueller Übersichtsartikel in der „neue verpackung“.)

Alle Materialien haben ihre eigenen Stärken und Schwächen. Darüber hinaus sind auch so wichtige Fragen wie die der möglichen Kapazitäten und Skalierbarkeit sowie nach Kosten und Preisen nicht gänzlich geklärt.

 

Fazit

Wälder stehen weltweit unter starkem Druck, da die Holzentnahme explosionsartig steigt. Dazu trägt auch der vermehrte Einsatz von Papierverpackungen bei, die angetrieben von Nachhaltigkeitsüberlegungen auf einer Erfolgswelle reiten. Gleichzeitig stößt der Einsatz von Recyclingfasern nicht nur an seine technischen Grenzen, sondern auch mit Blick auf Menge und Verfügbarkeit. Jedes Prozent Frischholzfaser, dass durch alternative Fasern ersetzt wird, hilft – nicht nur dem Wald, sondern auch dem Nachhaltigkeitsprofil der darauf produzierten, faserbasierten Verpackung.


    Sie haben Fragen zu diesem Artikel?






    Avatar-Foto

    Ihr Ansprechpartner

    Matthias Giebel
    0 30 / 367 524-21
    giebel@bp-consultants.de