Next Level Paperisation: Kunststofffreie Barrieren sind auf dem Weg

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Die faserbasierte Breakthrough-Innovation mit hohen Barrierewerten bei gegebener Recyclingfähigkeit im etablierten Papierrecycling und kompletter Kunststoff-Freiheit rückt näher. Bis 2030 scheint sie in großem Maßstab machbar. Wir werfen einen Blick auf die bisherige Entwicklung der Paperisation, machen eine Standortbestimmung, nennen wichtige Faktoren und ziehen ein Fazit.

 

Geburt eines Trends

Als Trend haben wir bei Berndt+Partner Consultants die Paperisation schon vor rund 5 Jahren identifiziert und frühzeitig Beispiele benannt.

Nestlé

Nestlé war 2019 eines der ersten Unternehmen, das mit der Einführung seiner – als recycelbar kommunizierten – neuen Papierverpackung für die YES!-Snackriegel erste Erfahrungen sammelte. Ein entscheidender Treiber für den neuen Weg war die Vision, dass die Nutzung der breit etablierten Papier-Recycling-Kanäle eine vielleicht zukunftsträchtigere Lösung darstellt, als der in Jahrzehnten nicht gelungene Aufbau einer wirklichen Kunststoff-Kreislaufwirtschaft.

Upfield

2020 wurden Ankündigungen wie jene von Upfield noch als vollmundig belächelt. Seinerzeit hatte der globale Marktführer für Streichfette seine „Plastic free Policy“ veröffentlicht (hier als pdf) und angekündigt, bei all seine Verpackungen bis Ende 2025 ohne Kunststoff auszukommen. Dringlichkeit und Möglichkeit erschlossen sich nicht automatisch, erforderten doch zu dieser Zeit weder die Regulierer einen solchen Switch, noch waren die benötigen faserbasierten Barriere-Materialien verfügbar.

 

Standortbestimmung

Heute können wir feststellen, dass die Entwicklung nicht bei faserbasierten flexiblen Verpackungen stehen geblieben ist. Auf dem Markt finden sich mittlerweile faserbasierte Becher, faserbasierte Tuben und faserbasierte Flaschen – auch, wenn die Lösungen noch häufig in Nischen existieren und ebenso häufig noch als Faser/Kunststoff-Hybridlösungen daherkommen, die bei weitem nicht alle die Anforderung der Recyclingfähigkeit erfüllen.

Trotzdem zeigt sich seit Jahren beständig, dass es rund um die Paperisation viel Power und viel Bewegung gibt. So arbeiten zahlreiche Start-ups – häufig zusammen mit Giganten aus der Lebensmittelindustrie – an der Entwicklung weiterer und leistungsfähigerer, faserbasierten Barrierematerialien.

Als Beispiel sei hier das Unternehmen Papkot genannt, das eine keramische Beschichtung eingeführt hat, die dem Papier die gleichen Verpackungseigenschaften wie Kunststoff verleiht, ohne jedoch Kunststoff einzusetzen.

Aber auch traditionelle Papierhersteller sind beileibe nicht untätig und investieren im großen Maßstab. Mondi ist der erste Big Player, der behauptet, dass seine faserbasierten Lösungen für die Barriere gegenüber Aluminium konkurrenzfähig sind und mithalten können.

 

Regulierungen liefern den Kompass

Und die Regulierung? Die hat in der Zwischenzeit einen Kompass etabliert, auch wenn die Details der Ausführung noch unscharf sind. Je nach Lesart, werden Kunststoffe durch die Aktivitäten der Regulierer ungerechtfertigt diskriminiert oder als lästige Nicht-Performer und Störstoffe in der Circular Economy endlich gebannt. So oder so: Die Richtung ist klar.

  • Kunststoffverpackungsabfälle müssen bis 2030 doppelt so schnell reduziert werden, wie die Gesamtheit aller Verpackungsabfälle.
  • (Nur) Multipacks aus Kunststoff sind im Rahmen der PPWR von einem Produktverbot bedroht.
  • (Nur) Verpackungen mit mindestens 5 Prozent Kunststoffanteil müssen bis 2030 Rezyklate einsetzen (wobei um die Höhe der Quote noch gerungen wird).
  • Im Rahmen der Single-Use-Plastic-Directive werden Verpackungen aller Produkte, die für den direkten Unterwegsverzehr bestimmt sind (und dazu gehören dann beispielsweise auch einzelverpackte Schokoladenriegel), mit einer Abgabe belastet, sofern sie auch nur die geringste Spur eines industriell hergestellten Polymers beinhalten (natürliche Polymere sind ausgenommen).
  • Die neue deutsche Plastiksteuer wird Kunststoffverpackungen einen weiteren Stein in den Rucksack legen. Verschoben ist nicht aufgehoben.

 

Fazit & Ausblick

Die Zeiten, in denen Paperisation und komplett faserbasierte Lösungen als vollmundig belächelt wurden, sind definitiv vorbei. Tatsächlich hat auch Upfield zum Jahreswechsel ein erstes Produkt umgestellt. Die „world’s first plastic-free, oil-proof, recyclable tub for plant butters and spreads“ beweist, dass es geht – auch wenn die Skalierung doch mehr Mühe macht, als angenommen. Entsprechend hat das Unternehmen seine Zielerreichung gestreckt und will nun bis 2030 bei 80 Prozent seiner Verpackungen ohne Kunststoff auskommen.

Gerade durch die Entwicklung funktionierender faserbasierter Barrierelösungen nimmt die Paperisation eine wichtige Hürde und erreicht ein nächstes Level. Die Nutzung der breit etablierten Papier-Recycling-Kanäle erscheint heute mehr denn je als zukunftsträchtige Lösung. Nicht zuletzt, weil Zweifel am Aufbau einer wirklichen Kunststoff-Kreislaufwirtschaf aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahrzehnte und angesichts der erforderlichen hohen Investitionskosten durchaus nachvollziehbar sind.

Entsprechend sehen wir in ersten Nischen erfolgversprechende Anwendungen – und der Innovationswettbewerb hat gerade erst begonnen. Paperisation 2.0 ist auf dem Weg.


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